Türchen 24 (von Marcel)

Kann nicht wenigstens ein Mal auch jemand an die Kinder denken?!

Das Leben mit Kindern ist wunderschön. Ich liebe es, mit Kindern zu flowen, in ihre Welt einzutauchen und Spaß mit ihnen zu haben. Oft bin ich lieber mit Kindern zusammen als mit Erwachsenen. Ich liebe ihre Gedanken, in denen alles möglich ist, ihren Blick auf die Welt, der meist versöhnlich sowie inkludierend ist und ihre Albernheit.

Viele von euch, die mich gut kennen, werden sich schon mal fremdgeschämt haben, wenn ich irgendeinen kindlichen Unsinn in der Öffentlichkeit gemacht habe. Deswegen mögen mich Kinder auch nicht selten mehr als Erwachsene bzw. ihre Eltern. Im Kindergarten oder in der Schule habe ich bei Festen meistens mit den Kindern herumgeblödelt, statt mich mit den Eltern zu unterhalten.

Erwachsene sind mir oft zu spießig, viele haben unter dem ganzen Stress der Alltagsbewältigung den Humor und ihre Leichtigkeit verloren. In den meisten Gesprächen mit Erwachsenen geht es um Probleme. Der Fokus liegt häufig auf dem Schlechten, Schwierigen, Ärgerlichen, Traurigen und Falschen. Kinder leben im Moment.

Aber das Leben mit Kindern kann auch sehr anstrengend sein. Alle Eltern werden das kennen. Warum müssen Kinder z.B. manchmal so kindisch sein? (Obwohl kindische Erwachsene viel schlimmer sind!)

Wenn ich es meinen Kindern ihr kindisches Verhalten manchmal vorwerfe, dann schreien sie schon mal:

WEIL ICH EIN KIND BIN!

Ok, da kann ich nicht wirklich was entgegensetzen. Aber ich versuche es trotzdem, manchmal z.B. mit:

Du bist schon 14 Jahre, da bist du ja nicht mehr wirklich ein Kind!“.

Gut, die Argumentation zieht nicht, ich weiß eh. Darauf gibt es meistens ein:

DANN IST MAN AUCH NOCH EIN KIND!“.

Es nervt mich trotzdem!“, kann ich dann nur noch erwidern und hoffen, dass vielleicht morgen, mit 14 Jahren und einem Tag der Reifeprozess beginnt.

Es ist spannend zu sehen, wie die Kinder sich mit dem Älterwerden verändern. Die Probleme und Schwierigkeiten adaptieren sich. In der Nacht wach werden war gestern, heute ist es der Anruf von der Schule, grenzüberschreitendes Verhalten, ignoriert zu werden oder Freizeitstress. Morgen wahrscheinlich Liebeskummer, Zukunftsängste und Abnabelung.

Und Emotionen, Kinder haben so viele Emotionen! Und alle können sich an einem Tag, was sage ich, innerhalb von Minuten zeigen. Das lachende Kind, kann schnell zum weinenden Kind werden und umgekehrt. Am schnellsten geht es, wenn aus gefühlter Fairness (das andere Kind kriegt Ärger –  hihihi!) auf einmal und ohne jegliche Vorahnung absolute Unfairness wird. Man bekommt auf einmal selber Ärger, wird gemaßregelt oder muss sogar Verantwortung übernehmen. DAS IST SOOOO UNFAAIIR!!!! Die Wut zeigte sich früher nur durch zuschlagende Türen, jetzt können es auch mal Ausdrücke sein oder fliegende Objekte.

Manchmal ärgert mich dieses Verhalten so unglaublich, manchmal muss ich darüber lauthals lachen, weil es wie Satire ist. Absolut vorhersehbar und doch unvermeidbar. Die Kinder tun mir dann sogar leid, weil sie den Gefühlen teilweise ausgeliefert sind und ich tue mir leid, weil ich ihnen auch ausgeliefert bin.

Vielleicht sind es ja aber auch genau diese Dinge, welche die Kehrseite sind, aber eben auch die wunderschönen Seiten ermöglichen.

Das Tolle an Kinder in diesen Situationen wiederum ist, sie vergessen meist sehr schnell und auch nach einem größeren Streit kann man bald wieder gemeinsam kochen, ein Brettspiel spielen, eine Serie schauen oder Konsole zocken.

Kinder haben eine Unbeschwertheit, welche wir leider zu früh im Leben verlieren. Die Anstrengungen, Enttäuschungen, Verletzungen, Schicksalsschläge, der Alltagsstress des Lebens und das Begreifen unserer Vergänglichkeit mit Sinnfragen treibt den meisten die Unbeschwertheit gründlich aus.

Meine Kinder kommen gerade in dieses Alter, wo ich merke, die Unbeschwertheit geht langsam verloren. Einmal durch die Pubertät, diese durchflutet die Kinder aufgrund der hormonellen Veränderungen mit tausend Gefühlen. Aber es wird auch institutionell langsam aus ihnen herausgezogen. Die Schule ist der erste große Sauger!

Sie müssen sofort funktionieren, hart arbeiten und lernen. Ein Schultag von ihnen geht teilweise länger als meine Arbeitstage, danach müssen sie vielleicht noch etwas lernen und falls noch eine Freizeitaktivität dazu kommt, sind wir schon am späten Abend angelangt. Der Alltag hat sie gefangen genommen und wir alle wissen, wie schwer es ist, jemals im Leben wieder aus diesem Auszubrechen, falls es überhaupt möglich ist.

Und nicht nur die Kinder werden von dieser Schlingpflanze in Beschlag genommen, sondern auch wir Eltern spüren es am eigenen Leib.

Täglich werden wir Eltern mit Nachrichten auf Schoolfox bombardiert, bestätigen allgemeine Infos wie z.B. Krisenpläne, Workshops oder Informationsabende, überweisen Geld für einen Theaterbesuch oder tragen uns in Elternsprechtagslisten eintragen. Darüber hinaus kommen persönliche Infos wegen Probleme in der Schule mit dem Kind hinzu. Auf Webuntis gibt es weitere Infos, wie das digitale Klassenbuch, wo man die Vergehen perfekt nachlesen kann, wie z.B. „Gestern haben alle Kinder zu laut geatmet, das hat den Unterricht gestört“ oder „XY hat im Unterricht getrunken, wir bitten um ein Gespräch!“. Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung es kommt nie wieder vor! Und als wäre das nicht genug, gibt es noch die inoffiziellen Kanäle auf Whatsapp, wo Eltern für irgendwas sammeln oder sich über was beschweren.

Wie sollen Kinder in dieser Maschinerie nicht ihre Unbeschwertheit verlieren. Sie dürfen nicht mehr Kind sein, für sie hat das Erwachsenenleben mit dem Eintritt in die Schule begonnen. Willkommen im Rest eures Lebens. Keine schöne Aussicht.

Zu Hause merkt man diese Veränderung auch, die Kinder sind häufiger gestresst, haben wenig Geduld und werden schneller wütend. Sie brauchen Urlaub oder einfach mal eine Pause von all dem. Die Sommerferien sind schön und gut, aber auch da sind sie ja (da Eltern nicht so viel Urlaub haben) in Camps oder bei Verwandten oder verreisen. Das ist sicherlich auch erholsam, aber so richtig runterfahren, ich weiß nicht, ob sie das können.

Wir alle wollen erwachsen werden, wenn wir jung sind. Ich konnte es nicht erwarten 13 Jahre zu werden, dann 14, 16 und dann das große Ziel 18. Es ist natürlich schön Erwachsen zu sein, aber es nimmt dem Leben auch viel Leichtigkeit.

Wenn ich sehe, wie diese Leichtigkeit langsam meine Kinder verlässt und ich mich zurück erinnere, wie die beiden noch sehr klein waren, so süß, völlig unschuldig, im positiven Sinne naiv, nicht wissend, was das Leben alles für sie bringt, dann macht mich das manchmal ein wenig traurig. Aber jede Zeit ist eine besondere und einmalig. Sie aufwachsen zu sehen, ist auch ein ganz besonderes Gefühl und ich bin gespannt, wie sie als Erwachsene sein werden.

Trotzdem versuche ich aktuell jeden Moment mit ihnen bewusst wahrzunehmen und zu genießen. Und stellenweise noch gemeinsam in ihre Unbeschwertheit einzutauchen und mit ihnen auszukosten. Diese Zeit ist bald vorbei.

Ich habe für mich jedenfalls folgenden Leitsatz entwickelt, nach dem ich Leben möchte:

Im Kopf möchte ich erwachsen sein, aber im Herzen möchte ich immer ein Kind bleiben.

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DANKE an alle Teilnehmenden und Leser:innen. Wie jedes Jahr, bin ich auch dieses Mal wieder tief gerührt und berührt von euren Beiträgen gewesen. Ich danke euch von ganzem Herzen für das Mitmachen und Teilen. Frohe Festtage und einen guten Rutsch. Euer Marcel.

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