Auf der Suche nach der romantischen Liebe
Bald drei Jahre ist es jetzt her, seit meine langjährige Beziehung beendet und ich in den Topf der Singles zurückgeworfen wurde.
Zuhauf geschenkt bekomme ich, seit ich wieder „auf dem Markt“ bin (auch eine interessante Redewendung), mitleidige Blicke und Worte.
„Wie sieht’s aus?“ oder „Was gibt es neues?“ werde ich regelmäßig gefragt, ob denn nicht die nächste Herzensdame vor der Tür steht.
„Geht es dir gut?” (im Kontext)
„Bist du auch nicht allein?“
„Du wirst schon wieder jemanden finden!“
Gut gemeint (ich weiß!) ist nicht immer gut.
Ja, es geht mir gut! Die Rechtfertigung und der Zweifel, dass es mir auch als Single gut gehen kann, nervt mitunter. Es geht mir grundsätzlich so gut wie noch nie in meinem Leben, mit den normalen Höhen und Tiefen, egal welchen Beziehungsstatus wir haben.
Aber die Gesellschaft hat eine eindeutige Sicht auf die Sache.
Wir sind die Gescheiterten, Suchenden, Übriggebliebenen, Ungeliebten, Verkorksten, Unverkuppelbaren, Kaputten, Zubemitleidenden, einfach der Rest.
Für die Gesellschaft gibt es zwei Zeitrechnungen, die in einer romantischen Beziehung und die ohne romantische Beziehung.
Je länger die erste wird, desto größer wird die Anerkennung.
Je länger die zweite wird, desto größer wird das Beileid, das Unverständnis und irgendwann sogar die Ablehnung.
Wikipedia schreibt über den Single folgendes:
„Als Alleinstehender oder umgangssprachlich auch Alleinlebender oder – als Anglizismus – Single wird eine erwachsene Person bezeichnet, die ohne feste soziale Bindung an eine Partnerin oder einen Partner sowie ohne minderjährige Kinder im Haushalt lebt. Nach dieser Definition sind Alleinerziehende keine Singles. „Alleinstehender“ ist ein statistischer Begriff für Einpersonen-Haushalte, das Attribut „ledig“ eine amtliche Bezeichnung für Personen, die nie verheiratet waren, und „Junggeselle“ eine umgangssprachliche Bezeichnung für denselben Sachverhalt.“
Eigentlich bin ich also ein Alleinerziehender. Ein immer noch offizieller, aber wirklich altertümlicher Begriff, welcher das „gemeinsam Erziehen und getrennt Leben“ überhaupt nicht mit einbezieht. Zudem definiere ich meinen Status nicht über die Erziehung und nicht über meinen Haushalt.
Eine Frage, welche ich mir aber natürlich auch selber stelle, ist, möchte ich Single (ich bleib jetzt bei dem Begriff) bleiben?
Also eindeutig für mich ist, dass ich wieder eine romantische Liebe in meinem Leben haben möchte. Ich vermisse regelmäßige echte Intimität mit einer Partnerin, mit der ich vieles teilen kann und bei der ich mich völlig fallen lassen kann. Ich vermisse auch dieses „Schatz, ich bin zu Hause“-Gefühl, wenn man sich nach einem langen Tag begrüßt, in die Augen schaut und weiß oder besser spürt, jetzt bin ich zu Hause. Freundschaften können bei mir ein ähnliches Gefühl des Ankommens erzeugen und einige Teile übernehmen. Eine freundschaftliche Beziehung ist nicht weniger wert und als Konstante in mancher Hinsicht wahrscheinlich sogar noch wichtiger. Wenn ich Freunde sehe, strahlen meine Augen auch, aber diesem zu Hause Moment wohnt etwas besonderes inne. Ihr kennt ihn bestimmt alle.
Sidefact: Vielleicht ist es auch ein wichtiger Hinweis, wenn er auf einmal in einer Beziehung fehlt.
Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob ich nochmal mit jemanden Zusammenleben möchte. Fast 15 Jahre gemeinsam unter einem Dach zu wohnen, war wirklich schön. Es war heimelig. Es war aber auch anstrengend. Die Zeit war sehr intensiv. Ich spüre jetzt, dass alleine leben auch große Vorteile hat. Es gibt Raum, um zur Ruhe zu kommen und die eigenen Bedürfnisse zu achten. Ich kann zu jedem Zeitpunkt machen, was ich will und muss mich nie rechtfertigen. Nur gegenüber mir. Asozial geil. Alleine leben hat für mich schon lange den Schrecken verloren, welcher er am Anfang hatte. Da steckt eine große Kraft drin, weil ich nie wieder in meinem Leben Angst davor haben muss.
Aber manchmal fühle ich mich alleine und einsam. In diesen Momenten hat das Alleine leben etwas melancholisches. Dann sehne ich mich nach den Kindern oder einem anderen Menschen und spüre die Ruhe als Abwesenheit von Leben. Jedoch habe ich mich in meiner Beziehung oft viel einsamer gefühlt. Man kann auch zu zweit einsam sein, das hat nichts mit dem Beziehungsstatus zu tun. Und alleine leben bedeutet nicht, alleine sein.
Aber gegen das Singledasein habe trotzdem schon einiges versucht. Eigentlich mach ich mir überhaupt keinen Druck, weil ich einfach keinen habe! Und doch schwingt er immer so bisschen mit. Warum ist das so…? Von außen, sozialisiert, weil ich mich insgeheim belüge, intrinsisch, biologisch… ich habe (noch) keine Antwort darauf. Mittlerweile war ich jedenfalls schon auf Tinder, Okcupid und Bumble angemeldet. Ich habe an Speeddating, Slowdating und einigen Veranstaltungen mit latentem Datingcharakter teilgenommen. Ich habe mit sehr vielen Menschen gechattet und mich mit vielen Menschen getroffen. Wir haben zusammen Spaß gehabt und gelacht, wir haben Geschichten ausgetauscht und gemeinsam geweint. Wir waren verknallt und haben uns wieder verlassen, sind gegangen. Ich habe versetzt und verletzt. Ich wurde versetzt und verletzt.
Freundschaften sind geblieben. Und doch würde Flüchtigkeit die Beziehungen dieser Zeit am besten beschreiben. Das gefällt mir nicht, obwohl die Erfahrungen und Geschichten einen immer weiter wachsen lassen.
„Liebe, als wäre dein Herz nie gebrochen“ steht bei mir zu Hause auf einem Poster. Ich habe es im Baumarkt gesehen, irgendein 08/15 Spruch und doch hat er mich vor ca. einem halben Jahr so tief berührt, dass ich in Tränen ausgebrochen bin und das Poster kaufen musste. Nie zuvor habe ich die Kontrolle über mein Leben so verloren und war so verloren, wie nach meiner Trennung. Und obwohl ich nun standhafter und verwurzelter auf dem Boden stehe und glücklicher bin, als jemals zuvor, ist diese Geschichte und diese massive Verletzung nun ein Teil von mir.
Deshalb frage ich mich manchmal, kann ich mich überhaupt noch so richtig Hals-über-Kopf verlieben? Diese Verliebtheit, die einfach darauf los reitet, ohne Gedanken und Fragen. Erinnert ihr euch an das Gefühl? Es ist gleichzeitig beängstigend und unglaublich schön. Ich beneide und bedauere die jungen bzw. anderen Menschen dafür. Ich sehne mich danach und bin doch froh, nicht mehr diesen Kontrollverlust erleiden und so fremdbestimmt sein zu müssen. In der Mitte zu sein, bedeutet eben auch, die Extreme zu verringern. Das ist prinzipiell gut, aber hindert es mich auch wieder in ein positives Chaos zu stürzen? Sofern ich das überhaupt will.
Jedenfalls habe ich schon Menschen verlassen und wurde verlassen, weil ich meiner Partnerin dieses Gefühl nicht geben konnte, mich völlig auf sie einlassen zu können. Und dann frage ich mich, konnte ich es nicht zulassen oder war es einfach nicht da. Hat es auch mit meiner Verletzung zu tun oder einfach mit meiner Erfahrung und meinem Wissen, was ich möchte?
Man/Frau kann nichts erzwingen, das ist klar, aber woher weiß ich den Unterschied zwischen erzwingen und erlauben? Ein Balanceakt aus Kontrolle und Vertrauen.
Es ist ein großer Wunsch von mir, mich einem Menschen wieder völlig anvertrauen und schutzlos zeigen zu können. Ich möchte mich wieder Einlassen, Zulassen und Loslassen. Ich möchte eine Partnerin in meinem Leben haben, die mich nicht nur so nimmt, wie ich bin, sondern mich dafür feiert. Und gleiches möchte auch ich tun.
Und vielleicht ist die Liebe jetzt einfach anders. Sie kommt weniger über diese überwältigende Verliebtheit, sondern über ein echtes Kennenlernen und Vertrauen. Am Ende ist sie aber vielleicht sogar organischer und tiefer.
Nach dem desaströsen Zerfall bis auf die Grundmauern habe ich nach und nach mein Haus wieder hergerichtet. Ich habe sehr viel Arbeit und Liebe hineingesteckt. Das Haus ist sehr schön geworden und ich fühle mich sehr wohl darin. Ich habe die Zimmer für mich, für meine Kinder und meine Freunde eingerichtet, sie sind hell, gemütlich und abwechslungsreich geworden. Ich verweile gerne in ihnen. Ein großes Zimmer steht aber noch leer, die Tür ist meistens geschlossen, weil ich den Raum nicht täglich sehen und immer daran erinnert werden möchte. Manchmal öffne ich die Tür einen Spaltbreit und schaue hinein, oft überkommt mich dann ein Gefühl der Wehmut. Gleichzeitig stelle ich mir aber auch vor, wie es sein wird, wenn dieses Zimmer eingerichtet ist. Und obwohl ich keine Ahnung habe, wie es aussehen wird, bin ich mir sicher, es wird meine kühnsten Vorstellungen übertreffen, weil es nicht von mir eingerichtet wird.
Für das neue Jahr wünsche ich mir zu „Lieben, als wäre mein Herz nie gebrochen“.
Euch alle!
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Und damit war es das schon wieder. Auf Wiedersehen Blogsinn Adventskalender 2023. Danke an alle Türchen für eure wunderbaren Beiträge. Es bedeutet mir so unglaublich viel, von euch dieses Vertrauen zu bekommen, dass ihr euch hier so offen und ehrlich zeigt. Ich finde wirklich, dass wir hier was besonderes schaffen. Klein, aber bewegend und verändernd. Danke natürlich auch an alle Leser:innen, ich hoffe, es hat euch genauso berührt. Frohe Festtage und ein erfüllendes Jahr 2024.


DANKE für diese weisen, wunderbaren Worte Elena Bernabè

