Die Bitte ist, etwas Persönliches zu schreiben. Also gut, was Persönliches. Ich weiß aber nicht, ob es eine Geschichte ergibt, oder einen Zusammenhang mit irgendwas, oder letztlich überhaupt einen Sinn. Aber ich will schreiben, ich will, weil ich schreibe, denken, nachdenken. Möglicherweise bleiben nur ein paar Fragen übrig.
Heuer ist der Bruder einer Freundin gestorben. Einfach so. M war etwas jünger als ich, stand mitten im Leben, lebte gesund, achtete auf sich. Nichts deutete darauf hin, dass er bald sterben muss. Er hat sich Abends hingelegt und ist nicht mehr aufgewacht. Nicht einmal eine Obduktion konnte klären, woran er gestorben ist, einfach so. Auch das passiert.
M hatte eine tolle Beziehung zu seiner Schwester, sie haben nebeneinander gewohnt, sie hat ihn auch gefunden. Sie haben immer viel Zeit miteinander verbracht, ihre Leben miteinander gelebt. Deshalb habe auch ich M hin und wieder gesehen, ihn kennenlernen dürfen. Ein lebenslustiger Mensch, sehr schlau, humorvoll, begabt. Ich kannte ihn nicht besonders gut, aber er war ein Mensch, bei dem man sich wünschte, dass man ihn näher kennenlernen würde. Das geht nicht mehr, denn M ist gestorben, im August.
Der Tod von M hat mich beschäftigt, zunächst vor allem, weil seine Schwester leidet. Wir, die Freund:innen von ihr, haben versucht Trost zu spenden. Was lässt sich angesichts der Absurdität des Todes und vor allem dieses Todes sagen? Wie lässt sich Trost finden, Frieden finden, angesichts der großen Leere, der Lücke, der Dunkelheit, die der Tod hinterlässt? Wir haben versucht für sie da zu sein, aber was heißt das – die Lücke bleibt.
Natürlich habe ich auch nachgedacht, über den Tod von M. Über das Rätsel, das mir und uns der Tod von M aufgibt. Die eigene Endlichkeit, die Endlichkeit des Lebens, aber auch die Endlichkeit der eigenen Wirksamkeit. So viele Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Auch wann wir gehen müssen, oder unsere Liebsten. Die Aufgabe besteht darin der Endlichkeit wach ins Auge zu sehen und nicht daran zu verzweifeln. Beides ist eine Aufgabe.
M ist zu früh gestorben. Es ist nicht in Ordnung, dass jemand stirbt, ohne ersichtlichen Grund (also etwa risikoreiches Verhalten), so jung. Das Vertrauen, dass es da irgendeine Art von Fairness gibt, ist ausgehöhlt. Wahrscheinlich ist M der erste meiner näheren oder ferneren Bekannten, die verstorben ist. Jemand, der jünger ist als ich. M’s Tod hat Bedeutung für sich, und als Verweis auf etwas anderes. Bedeutung für sich hat sein Tod, weil M fehlen wird, weil er in unserem kleinen Freundeskreis immer eine Lücke hinterlassen wird, weil er seiner Schwester und damit immer fehlen wird. Und er ist ein Verweis auf anderes, auch die eigene Endlichkeit und die Endlichkeit von allem, die ohnedies niemand begreifen wird können. Kann man? Und natürlich ist der Verweis auf die Endlichkeit nicht nur ein Verweis auf den Endpunkt, sondern vielmehr auf die Zeit, die es bis dahin noch geben mag. Und diese Zeit gewinnt an Bedeutung, die Zeit ist das einzige, was wir haben. Und damit natürlich sofort die Frage, was macht man mit dieser Zeit?
Sich um Dinge zu kümmern, zu bekümmern, die man nicht verändern kann, ist ein bisschen vergeudete Liebesmühe. Vielleicht sollte der Fokus auf die Dinge gerichtet sein, die für uns veränderbar sind, die wir ändern können. Auf uns, unsere Beziehungen, auf unser Sein in dieser Welt. Der Tod ist das Problem der Lebenden, ist der einzige Trost, dem man sich schenken kann. Der Tod ist das Problem von uns, nicht von M.
Ich habe die Einladung zu schreiben und damit nachzudenken dankbar angenommen. Ich wünsche Euch allen Schöne Feiertage, wunderbare und besinnliche Rauhnächte und alles Glück der Welt im neuen Jahr!















