Türchen 24 (von Marcel)

Ursprünglich wollte ich ja auf Türchen 18 eingehen und meine Perspektive zu dieser Erfahrung schreiben. Der Text war auch so gut wie fertig, aber dann passierte etwas: Das Leben!

Eine kleine Weihnachtsgeschichte

Die Tür in unser Schlafzimmer geht auf, ein Kind tritt herein. Ich bin wach. Der Wecker zeigt 8Uhr an, positive Überraschung! Die Kinder schauen Checker Tobi, deshalb wurden wir so lange in Ruhe gelassen. Die Win-Win-Situation überhaupt. Der Rolladen im Schlafzimmer ist komplett zu, daher wird es wie jeden Tag spannend, welches Wetter draußen sein wird, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Langsam fährt er hoch und wer hätte das gedacht, es ist grau in grau! Das perfekte Depressionswetter und Wasser auf den Mühlen einer Entscheidung, welche vor einem Jahr getroffen wurde. Die Winterdepressionen der letzten Jahre haben mich gelehrt, im Winter zu verschwinden. Egal wohin, nur Sonnenlicht braucht es. Und heute geht es los in den Urlaub ins Warme und Helle. Wir treffen also letzte Vorbereitungen, packen nochmal dies ein oder jenes aus. Die Kinder sind nun leider schon urlaubsaufgeregt und wie jedes Mal hat man das Gefühl, schon 3 Stunden vor dem Verlassen der Wohnung im Stress zu sein. Die Sandwiches für die Reise sind gemacht, die Koffer zu, die Rucksäcke werden noch mit dem restlichen nötigen und unnötigen Kram gefüllt. Los geht’s. Mit der Straßenbahn nach Floridsdorf, dort mit dem Zug zum Flughafen Wien, dann Flug nach Amman, umsteigen und der finale Flug nach Dubai. Dann noch ein Taxi und schon sind wir im Hotel, 5Uhr morgens. Dort warten meine Mama und mein Stiefvater. Naja, besser gesagt, hoffentlich warten sie nicht. Aber man weiß nie bei Eltern ;-). Und wie auch alle Eltern wissen ist jeder dieser Reiseschritte mit hoher Aufmerksamkeit und Verantwortung verbunden. Die Kinder beschäftigen und nicht verlieren, zweites gilt auch für das Gepäck. Allerdings ist man hin und wieder nicht überall erfolgreich. Beim Check-in fällt mir auf, dass mein Rucksack fehlt. Gleich schießt es mir in den Kopf: Ich habe ihn im Zug vergessen. Ich renne sofort los, aber natürlich ist er nicht mehr am Bahnsteig. Katastrophe! In diesem Rucksack ist mein Laptop, die Tablets aller Familienmitglieder, ein Nintendo und E-Book-Reader, meine Kopfhörer, mein Geldbeutel inklusive Geld, Führerschein, Personalausweis und Bankkarte etc. und unser (einziger) Hausschlüssel mit der Topnummer, die wurde von der Hausverwaltung netterweise in den Schlüssel eingraviert. Wert alles zusammen ca. 2.500 Euro. Bürokratienervfaktor 8 von 10 Punkten. Nostalgieschmerzfaktor, hauptsächlich nur der Führerschein, also 2 von 10. Und Glück im Unglück, nicht die Pässe und die Kreditkarte. Aber was mach ich jetzt? Meine Familie wartet oben beim Check-in, wir müssen bald los. Ich rufe die ÖBB an, aber an einem Sonntag arbeitet da wohl niemand, verrückt diese Annahme, Dinge gehen normalerweise ja auch nur Werktags verloren. Nach 20 sehr langen Minuten in der Warteschleife drücke ich 1, damit werde ich zurück gerufen. Die freundliche Computerdamenstimme sagt, dies geschieht in über 2 Stunden. Ok, dann gebe ich euch halt die Nummer des Piloten?! Eine letzte kleine Chance eröffnet sich mir, als ein Zug Richtung Floridsdorf einfährt und am Flughafen seine erste Station hat, unserer zuvor kam von dort und hatte am Flughafen Endstation. Vielleicht gedreht oder kurz irgendwo gewartet? Es ist definitv dieselbe Linie, aber wie ich nach dem Durchrennen feststelle, nicht derselbe Zug. Ich frag den Zugführer und er sagt, unser Zug ist schon wieder Richtung Laa an der Thaya unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit den Rucksack noch am Flughafen aufzufinden ist somit gestorben. Jetzt muss ich schnell zurück zu meiner Familie, sonst verpassen wir den Flug. Auf dem Weg zum Check-in komme ich an einem ÖBB-Schalter vorbei, eine letzte Idee kommt mir. Ich lasse mir die Fahrpläne der Zuges ausdrucken, erst fährt er nach Laa an der Thaya und dann, nach einem 2-stündigen Stop dort, zurück über Wien. Vielleicht kann jemand dorthin fahren und dort schauen. Es ist ein großer Act, die Fahrt von Wien dauert ca. eine Stunde, daher ist das schon eine große Bitte, aber ich frage Freunde, ob sie hinfahren können oder jemand in der Nähe kennen. Sie beginnen sich darum zu kümmern. Gute Freunde sind schon was schönes. Das alles geschieht, während wir durch die Kontrollen zum Gate rennen, wir sind die Letzten beim Check-in und schaffen es gerade so zum Boarding. 

Ok, let it go. Ich kann den Urlaub und die Freude der Kinder jetzt nicht weiter belasten, vor allem, wenn es nichts bringt. So ist es jetzt nunmal, es liegt nicht mehr in meiner Macht. Ich bin auf die Hilfsbereitschaft und Gutmütigkeit der Menschen im Zug angewiesen und auf meine Freunde. Wir stehen in der Schlange für den Bus, der uns zum Flugzeug bringt. Wir geben unsere Boarding Pässe ab und die Dame zieht sie einen nach dem anderen über den Scanner. Grün, Schwiegervater darf sich auf den Weg in den Bus machen, dann nochmal grün, grün und dann rot, abgewiesen. Was ist jetzt los? Die Dame schaut verwundert auf ihren PC, denkt kurz nach und dann fällt ihr der Grund wieder ein. “Haben sie ihren Rucksack im Zug verloren” fragt sie mich. “Ja”, sage ich und sie zeigt gleichzeitig auf den Boden, wo er steht. Ich bin fassungslos, “wie ist das möglich” frage ich und sie sagt, dass es ein am Flughafen Beschäftigter gefunden hat und es dann, wie ich später erfahre mit nicht gerade geringem Aufwand, der Rucksack war ja schon wieder Richtung Wien unterwegs, auf den richtigen Weg gebracht hat. Während ich die Glücksüberbringerin umarme, weint Arnisa vor Freude und alle Menschen, die diese Szene erlebt haben, haben ein Lachen im Gesicht. “Außerdem hat er auch eine Nachricht hinterlassen”, sagt sie zum Schluss noch. Ich öffne den Rucksack und finde einen Zettel. Auf diesem steht sein Name, seine Telefonnummer und “Merry Christmas :-)”.

Es wirkt wie ein kitschiges Weihnachtswunder aus Hollywood, nur dass das Leben manchmal die gleichen oder noch bessere Geschichten schreibt.

Lieber Vlad, ich habe dich ja eingeladen, den Adventskalender zu lesen und ich hoffe, du liest gerade diese Zeilen. Wir sind dir wirklich sehr dankbar für deine gute Tat. Aber nicht nur wegen des Geldes oder Stresses, das alles wäre natürlich sehr sehr ärgerlich gewesen, aber in ein paar Monaten fast schon wieder vergessen. Nein, wegen der unglaublichen Überraschung, dieser Lottogewinn gleich kommenden Wahrscheinlichkeit. Deine Geste ist für die Ewigkeit. Wir werden diese Geschichte niemals vergessen und sie noch oft in unserem Leben erzählen und damit Menschen zum herzlichen Lachen bringen und dabei selber jedes Mal Gänsehaut bekommen. Und sie wird für immer die Message haben, dass wir nie vergessen sollten, dass es auf unserem Planeten auch immer solche Menschen geben wird! 

Frohe Weihnachten bzw. Festtage an euch alle! Ein fantastischer Adventskalender 2019 ist nun zu Ende. Es gab wieder wunderschöne und sehr berührende Texte bzw. Werke. Danke an euch alle für die Mühe, die ihr euch gemacht habt sowie eure Offenheit. Und ich denke, wir haben auch dieses Jahr wieder etwas besonderes geschaffen. Ich kann euch jedenfalls sagen, dass die Resonanz unglaublich war. Ohne euch, auch die LeserInnen, wäre das nicht möglich. Danke, danke, danke.

Wir sehen uns wieder zum Burning Snowman am Samstag den 22.02.2020!