Der Gemüsehändler
Ein herrlich sonniger Samstag offenbart sich mir als ich das Haus verlasse und lässt mich hoffen, dass wir unser Frühstück im Freien genießen werden können. Unterwegs im Neunundvierzger versuche ich zu rekonstruieren wann ich den Jakob zuletzt gesehen haben. Das Ergebnis liegt erschreckend weit in der Vergangenheit. In unser jahrzehntelangen Freundschaft hat es wohlgemerkt auch Phasen gegeben wo wir uns, ob der geographischen Distanz, noch viel seltener gesehen.
In jedem Fall freue ich mich gewaltig darauf ihn zu sehen, über seine Familie informiert zu werden und uns darüber auszutauschen was uns im Innersten beschäftigt.
Am Siebensternplatz steige ich aus und stelle erfreut fest, dass die Entscheidung im Freien zu sitzen bereits getroffen wurde und winke Jakob am äußersten Tisch zu.
Als wir gerade unsere zweite Melange in Empfang nehmen parkt ein Lieferwagen am Gehsteig neben uns. Obwohl der Lieferwagen frisches Obst und Gemüse ankündigt ist das erste was dem Wagen entspringt ein kleiner Bub mit Piratenhut bekleidet.
Sein Vater öffnet die Ladefläche und hebt die ersten Kisten Salate auf das Rollwagerl. Gemeinsam, wobei die tatsächliche Schiebeleistung natürlich nur vom Vater ausgeht, werden die Kisten in das Lokal befördert. Das leere Wagerl schiebt der Bub einige Minuten später dann ganz alleine zurück. Nach und nach wird der gesamte Inhalt des Lieferwagen auf die verschiedenen Lokale am Platz aufgeteilt. Einmal trägt der Bub unter größter Anstrengung eine einzelne Melone, dann wieder fährt er auf dem Wagerl mit und fühlt sich als Kapitän seines eigenen Piratenschiffes oder er darf den Inhalt der Kisten vorkosten.
In jedem Fall geschieht all dies mit enormen Enthusiasmus seitens des Sohnes und großer Geduld und Fürsorge des Vaters.
Nachdem der Lieferwagen geleert ist nehmen Vater und Sohn auf einer Parkbank Platz um vor der Weiterfahrt noch eine Mandarine zu teilen. Der Vater bedankt sich bei seinem Sohn für die Hilfe beim Ausladen, fährt ihm mit der Hand durch den Lockenkopf – der Piratenhut wurde für die Jause abgelegt – schließt die Augen und genießt die Sonne die ihm ins Gesicht scheint. Als Reaktion steht der Bub auf der Bank auf, umarmt seinen Vater und sagt ihm, dass er ihn lieb hat.
Für mich als heimlicher Beobachter ist dies ein wunderschöner Moment der mich sogleich zu Tränen rührt.
Selber sage ich gerne denjenigen die es betrifft, dass ich sie lieb habe und das nicht als Redewendung sondern als aufrichtige Zuneigungsbekundung.
Dem Jakob muss ich nun noch erklären was plötzlich in mich gefahren ist aber nach jahrzehntelanger Freundschaft kennt er mich gut genug, hat die Parkbank auch im Blickfeld gehabt und weiß was los ist.