Liebesjunkies zwischen Ent-Täuschung und Sehn-Sucht
Die Dialoge scheinen bloß noch fragmentiert. Aus zwischenmenschlicher Verbundenheit wurde gemeinsame Einsamkeit. Das Portrait der Befindlichkeit ist verschwommen. Unbeständigkeit – das Verhängnis des ständig Suchenden. Innerlich verstrickt, ausgeliefert dem Willkürlichen – und doch wartend auf das große Eigentliche. Das Urteil über den Sachverhalt kühl, sezierend, vernichtend. Was verbindet trennt. Das Feuer, das einst entfacht, geht in helle Flammen auf, brennt alles nieder. Alle Fragen werden neu gestellt, getrieben vom Verlangen danach, etwas Verborgenes sichtbar zu machen in einer entzauberten Welt.
Willkommen in der Wunschfabrik zwischenmenschlicher Beziehungen. Während wir in dem einen Moment noch mit Leichtigkeit beschwingt einen Fuß vor den anderen setzen, finden wir uns im Nächsten bereits verstrickt in einem Netz voller anmutender Illusionen, in denen wir gerne bereit sind, ein Fundament zu sehen, das uns dazu einlädt eifrig darauf weiter aufzubauen. Dem Trugbild nähern wir uns mit aufrichtiger Hingabe; manchmal weil wir die Augen verschließen vor dem, was uns nicht behagt, und ein anderes Mal, weil wir tatsächlich blind sind für das im Nachhinein so Offensichtliche. Das Bindeglied auf dem Weg zurück zur Realität ist die Ent-täuschung, – der Wolkenbruch.
Vereinzelt sehen wir am Himmel die schwarzen Wolken aufziehen und wünschen uns vielleicht insgeheim, dass der Regen kommen möge, um alles rein zu waschen. Zuweilen ist es dann auch wirklich so; manchmal nicht. Dann bringt der Regen Zerstörung, schlägt ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Stimmung kippt, und augenblicklich wird das Trugbild als solches entlarvt. Dann sind die Karten plötzlich neu gemischt, ein neues Spiel beginnt, und man ist wieder am Zug.
Wenn Sehnsucht Wagemut fordert und unsere Fantasie etwas in Bewegung bringt, dann macht sich abermals Um- und Aufbruchstimmung breit. Wir können es nicht erwarten, dem Neuen entgegenzueilen. Vielleicht zögern wir noch einen Moment, dem Impuls zu folgen und wagen kaum mehr als einen flüchtigen Ausbruch aus dem Alltäglichen. Fürchten wir den Verrat am Altbekannten? Wir halten noch einen Augenblick inne, dann lassen wir uns doch verführen. Denn kennen wir nicht alle das Gefühl trotz allem Überfluss scheinbar zu verhungern, und das, obwohl wir doch so viel Appetit auf das Leben haben.
Rebellierend gegenüber dem, was uns nicht mehr erfüllt, strecken wir unsere Hand nach dem Buffet und greifen zu. Schon haben wir uns das vermeintliche Heilmittel sehnsuchtsvoll in den Mund gesteckt und es genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Wir wollen mehr davon und geben uns dem Rausch ganz hin. Doch wer das rechte Maß aus den Augen verliert, lernt die Kehrseite einer jeden Droge schon bald kennen. Wir wachen am nächsten Morgen verkatert auf, wir leiden, und wollen doch mehr von dem Stoff. Sind wir abhängig geworden? Kleine Liebesjunkies – süchtig nach dem nächsten Schuss?