Türchen 9 (von Katrin)

Energiebilanz

Letztes Jahr war ich bei einem Workshop, bei dem es folgende Übung gab:
Man sollte sich vorstellen, jeder bekommt täglich eine gewisse Menge Energie, z.B. 100 Einheiten Energie täglich. Und jeden Tag tut und erlebt man Dinge, die einen entweder Energie kosten oder zusätzliche Energie bringen, also entweder verliert man Energie oder gewinnt welche. Am nächsten Tag bekommt man erneut 100 Einheiten Energie, und die Frage lautet: Hat man vom Vortag ein Plus, ein Minus oder war man ca. auf null? Mit wieviel Energie startet man also den neuen Tag? Und wie schaut das über Wochen, Monate, Jahre aus? Es ging darum, zu verstehen, dass ein konstantes Energie-Minus sich irgendwann körperlich manifestiert und womöglich krank macht. Und umgekehrt; umso besser man auf seine Energiebilanz achtet, umso gesünder hält man sein ganzes System, einschließlich seinen Körper. Dann sollte man eine Liste erstellen mit zwei Spalten: eine Plus-Seite und eine Minus-Seite. Zur Minus-Seite gehören auch z.B. Verpflichtungen, die man nicht so mag, aber (zumindest im Moment) Teil des Lebens sind wie beispielsweise ein bestimmter Job oder Kommunikation mit dem dem Ex-Partner, weil gemeinsame Kinder etc., zur Plus-Seite umgekehrt die Dinge, die einem Freude bereiten, einen glücklich machen oder bei/nach denen man sich besser (lebendiger, erholter, mehr in seiner Mitte, kräftiger, whatever) fühlt als vorher. Wir haben ca. 5 Minuten Zeit bekommen und sollten einfach mal Dinge aufschreiben, die uns zu beiden Seiten in den Sinn kommen. Blitzschnell war meine Liste erstellt und ich war erstaunt, dass ich sie auch auf der Heimfahrt nicht mehr korrigieren musste – es war sonnenklar.

In diesem Gedanken versuche ich meine Tage zu gestalten und es gelingt mir mal besser, mal weniger gut. Und nach 1,2 Tagen mit zu viel Minus lässt mich das mein Körper und meine Stimmung sofort spüren – spätestens dann wird es wieder Zeit, auf Plus-Dinge zu achten, und mir geht es sofort besser.

So bin ich vielleicht etwas geiziger mit meiner Zeit geworden, und gleichzeitig großzügiger mir selbst gegenüber, drehe tagsüber auch mal das Internet am Handy ab und erlaube mir, auf meine Grenzen zu achten. Die Übung wirkt lange nach und immer wieder denke ich an das Bild der Power Point-Folie mit den zwei Batterien; eine voll und eine leer.

Meine Frage an Euch:
Was steht auf Eurer Liste?

Türchen 8 (von Andi)

# Das Viele im Nichts

## Nichts Planen

Wenn sich das Jahr dem Ende neigt, die Tage kürzer und die Nächte länger werden, beginnt für unsere hektische Gesellschaft ein letztes Aufbäumen. Schnell muss noch alles fertig gemacht werden. Firmen erhalten noch letzte Aufträge, Budgets die ausgespielt und abgearbeitet werden müssen, Ergebnisse, die erzielt werden müssen und wir “natürliche Personen” wie es so lieblos heißt, haben auch viel zu tun.

Geschenke kaufen! Geschenke planen! Karten schreiben, Deko organsieren und Programm für die Feiertage aufstellen: Denn, wenn der arbeitsreiche Dezember abgeschlossen und der Dezmeber der Ruhe beginnt, möchte man ja gut vorbereitet sein…

Lang anstehende Projekte endlich angehen, vielleicht sogar die ganze Kust des Heimwerkertums ausspielen und selbst Bretter zuschneiden, kleben, nageln und bohren und endlich den lang ersehenten Stauraum schaffen? Besuch bei den Großeltern, der Familie im Ausland, oder allgemein ein Urlaub? Jedenfalls ganz viel Energie tanken! Das is ja auch so ein wichtiges ToDo…

Ich selbst habe mir da auch einiges vorgenommen. Lange habe ich überlegt, was ich heuer alles machen könnte, was ich eigentlich machen will, und kam zu dem Entschluss: ich werde nicht sehr viel machen, dafür aber viel Nichts! 

## Die Essenz des Nichts

Das mit dem Nichts ist nämlich, bei näherem Betrachen, schon eine erstaunliche Sache. In gerade zu selbstvergessener Weise denken wir uns nichts dabei wenn wir ans Nichts denken. Dabei trauen wir dem Nichts doch immer so viel zu!
Ein Auto zum Beispiel, das kann wie aus dem Nichts auftauchen und für eine Schrecksekunde sorgen. Klar, so ein Auto kommt nicht wirklich aus dem Nichts, aber für den Schrecken den wir erfahren, wäre es wohl egal, wenn es nicht doch aus dem Nichts gekommen wäre. Wie aus dem Nichts eben.

Auch schöne Sachen kann das Nichts hervorbringen. Überraschungen zum Beispiel. Die sind immer dann besonders erfolgreich, wenn sie einem wie aus dem Nichts heraus begegnen. Oder Ideen, die uns, wie aus dem Nichts heraus, plötzlich einschießen.

Geld. Geld ist auch so eine Sache, die zum größten Teil direkt aus dem Nichts kommt. Wenn man bei einer Bank einen Kredit aufnimmt, dann schaffen die auf einmal Geld das vorher nicht da war. Ex-nihilo, aus dem Nichts, nennt sich das. Aber haben Banken einen besonderen Draht zu dem Nichts? Den will ich auch haben!

PhysikerInnen meinen, das ganze Universum könnte aus dem Nichts entstanden sein. Also da wird noch diskutiert, denn das Universum kommt vielleicht nicht aus dem Nichts, dafür dann aber das Multiversum. Aha.
Wo sie sich einiger sind, ist beim Nichts selber. Das hätte ganz schön viel Energie meinen sie. Weil nicht sein darf, was nicht sein darf, ist das Nichts halt doch nicht ganz nichts, sondern ein Grundrauschen an Energie. Und weil das Universum eben hauptsächlich aus Nichts besteht, besteht das Universum somit hauptsächlich auch aus der Energie im Nichts. Ok.

## Maximal Nichts

Also bin ich schon gespannt, was alles das Nichts für mich bereithält. Ob Schrecksekunden oder große Ideen, ich bin bereit! Nichts hätte ich auch dagegen, wenn Geld auf mich wartet. Ich bin zwar keine Bank, aber vielleicht sollte ich mal wieder Lotto spielen?

Jedenfalls Energie. Die möchte ich ganz viel sammeln und wenn die klügsten Köpfe meinen, es stecke so viel Energie im Nichts, dann werde ich mich auf die Suche begeben. Keine Schwammerl-Suche im Wald, sondern eine Energie-Suche im Nichts, das klingt nach einem Plan. Und gestartet wird mit: nichtstun!

Türchen 6 (von Karo)

(Eigentlich sollte mein Beitrag lustig und warm sein, voller Anekdoten aus dem Leben meiner
kleinen Malteserdame TikTok, da heute ihr 3. Geburtstag ist. Wir haben sie damals für meinen Schwiegervater ausgewählt – als treue Seele, die immer a seiner Seite sein sollte. Er lebte alleine und sollte zu jemandem nach Hause kommen können – sie war aber nicht der starke Schäferhund, den er erwartet hatte. So bereichert sie nun mein Leben. Nun hat sich dieser Beitrag aber leider nicht mehr richtig angefühlt …)

Wie kostbar ist Zeit!

Wir haben letzte Nacht ganz unerwartet meinen Schwiegervater verloren.
Deshalb teile ich hier statt beschwingender Geschichten, den Schmerz über den Verlust einer Wahren Legende.

Es fällt mir schwer alle Gedanken in Worte zu fassen, ich versuche zu schreiben wie es mir jetzt in den Kopf kommt:

Ein Mann mit einem goldenen Herzen, und genau dieses musste wohl zu viel tragen und hat nun alle Kraft verloren.

Wir trauern.

Noch vor zwei Monaten haben wir zusammen gelacht – laut und ausgiebig. Ein erster Besuch in UK seit Jahrzehnten, denn er lebte in Jerusalem. Ich glaube er wusste es geht langsam dem Ende zu, deshalb noch eine letzte große Reise um alle seine Kinder zu besuchen und vor Ort zu sehen wie ihr Leben aussieht. Von Palästina nach USA, von dort nach Dänemark und dann zu uns nach UK. Mit langen Stopps um Erinnerungen zu schaffen, auszuruhen und gemeinsame
Momente zu genießen. Und: um viele Fragen zu beantworten und alte Geschichten zu erzählen – die meisten waren uns allen neu.

Der Abend vor der Abreise war laut, voller Lachen, gutem Essen, Gemeinsamkeit und keiner wollte zu Bett gehen und den Tag enden lassen.

Die Fahrt zum Flughafen war still und die letzte Umarmung am Flughafen mit vielen Tränen verbunden. Ich ahnte es,  wollte es aber nicht aussprechen – das könnte das letzte Mal sein.

Letzte Nacht dann der Schock. Wieder eine Faust ins Gesicht, die nicht nur übelste Schmerzen verursacht, sondern erneut zeigt wie kostbar und kurz das Leben ist:

LEBE
Lebe mutig und bewusst. Nimm die kleinen Momente wahr, die still an dir vorbeiziehen, und halte sie fest, bevor sie zu Erinnerungen werden. Lebe so, dass du am Ende des Tages weißt: Du warst wirklich da — mit all deinen Farben, Zweifeln und Freuden.

TRÄUME
Träume groß und frei. Lass dich nicht davon abhalten, neue Wege in deinem Herzen zu öffnen, auch wenn die Welt manchmal schwer wirkt. Träume sind Kompass und Licht zugleich — sie erinnern uns daran, wohin wir wollen und wer wir sein können.

LACHE
Lache oft und ehrlich. Lachen trägt, heilt und verbindet uns miteinander. Es macht selbst die dunkelsten Stunden ein Stück heller und schenkt dem Alltag die Leichtigkeit, die wir manchmal vergessen. Lache, wenn dein Herz es braucht und erst recht, wenn es schwer ist.

LIEBE
Liebe tief und ohne Zögern. Liebe Menschen, Momente, Erinnerungen — und auch dich selbst. Liebe ist das Einzige, das bleibt, wenn alles andere sich verändert. Sie macht uns mutig, sanft und stark zugleich. Liebe, weil es das ist, was unser Leben wirklich füllt.Wir vermissen dich und halten dich in unseren Herzen fest – für immer.

Wir vermissen dich und halten dich in unseren Herzen fest – für immer.

Türchen 5 (von Martina)

Eines Tages werde ich Polizistin oder Fotomodell, das dachte sich ein kleines, unscheinbares Mädel vom Bauernhof. Ausgelacht, aber wer hätte das gedacht? Einmal ernst genommen, hat sie ihre Ideen mit Hartnäckigkeit und einem Sturkopf durchgebracht.

Oft missverstanden, ungeliebt und suchend stolperte sie durchs Leben. Dieses Leben schien anstrengend, oft schmerzhaft aber zwischendurch schaffte sie sich auch lustige Momente. 

Hoppla, wer ist das? Ein wortgewandter bärtiger Mann der viel zu erzählen hatte. Nicht ahnend, dass sich hier 2 Herzen die einst gebrochen sich nun einander zuwenden wollen.
Die dreckige, unfreundliche, einst lebenswerteste Großstadt Wien hat uns magisch angezogen, ein Thunfisch und ein Herzi fehlen hier-  übersiedeln ist angesagt.
Nun gibt es hier einen Platz der das Wort Zuhause ausfüllt. Eine neue Geborgenheit in mir selbst und im einst noch fremden Gegenüber einiges gefunden, das zu lieben leicht ist.
Nun soll das Jahr 2026 kommen und mich überraschen mit Reisen, einer neuen Lebensqualität mit der neuen gefundenen Familie, die sich vollständig anfühlt.

Ich bin bereit – immer noch stur, aber auch erfüllt mit Glück und Liebe ♡

Türchen 4 (von Christiane)

Geschrieben und Vorgelesen von Christiane

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Gedicht / poetry slam über ADHS

Die Liebe zum Leben, zu Menschen und Tieren.
nächtelanges Recherchieren,
Interessens-Attacken, fiebernde Neugier -das sind WIR.
Sich vertiefen und bilden. Eintauchen. Fließen. ZERRINNEN. Die Kraft zerfließt. Gähnende Leere, kreischende Freude. Ein großes Herz und viele Fragen. Ein wacher Geist, wach wie ein Wachhund, der oft Sediermittel im Futter hat.
Ein Wachhund mit Demenz-Anfällen, der wohl Schnaps getrunken hat.

Offenheit und Mut. Gerechtigkeit und Liebe. Verzweiflung und Chaos.
Wir vergessen zu essen, vergessen zu trinken. Duschen nicht und stinken. Verlieren unsre Sachen, da kann man nichts machen. Kommen immer zu spät, da hilft auch kein Gebet. Anecken und tägliches Scheitern. Wieder Aufstehen. Wir wissen nicht woher die Kraft noch kommt, aber stehen wieder auf, fallen und stehen wieder auf, wieder und wieder. Wir vernetzen uns. Wir helfen. Wir lieben. Wir leiden.
Beginnen mit unsren Träumen……..
und zerrinnen in chaotischen Räumen. Überforderung. Wut. Es überflutet uns, wir ertrinken in Tränen. Ein unendlicher See aus Tränen. Tränen und Träume. Träume und Tränen.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. (Hermann Hesse hatte eindeutig ADHS.)
Wir erfinden neue Welten. Schillernde Welten. Wir tanzen und feiern. Sind kreativ und so gescheit. Gescheitert gescheit. Gescheit und gescheitert. Lieb und lustig und so kreativ.

Wir sind wild entschlossen.
Empathisch, Weltoffen,
Und manchmal besoffen.
Magisch und toll,
der Kopf ganz voll.

Wir denken neu, wir erschaffen Welten. Lieben, leben intensiv. Vernetzen uns und trösten uns. Und stehen wieder auf. Miteinander. Wieder auf. Es geht bergauf.

Das sind wir,
wir sind hier.

Türchen 3 (von Olga)

Wir sind jetzt bald am Ende 2025 angekommen, jedoch habe ich immer noch das Gefühl, mich gedanklich und emotional im Jahre 2024 zu befinden. 

Dieses besagte Jahr war für mich ein sehr schweres und bedrückendes, da mein geliebter Mann Georg so plötzlich am 3. April verstorben war. 

Danach war nichts mehr wie es war, ich fiel in ein tiefes Loch, in dem ich mich gefühlt heute noch befinde und noch keinen richtigen Weg gefunden habe, da wieder herauszukommen.

Ich nehme zwar an Trauergesprächen teil, gehe unter Menschen, merke jedoch, dass es noch sehr viel Zeit braucht, um mit diesen für mich schweren Schicksalsschlag klar zu kommen. 

“Da ist diese Liebe, die man für einen Menschen empfindet und die ja nicht durch seinen Tod endet.”

Ich genieße und freue mich jedes mal auf die Zeit, die ich in Wien verbringen kann und darf und danke meinem Sohn von ganzem Herzen, dass er mir dies uneingeschränkt ermöglicht. 

Für mich bleibt nur zu hoffen, dass die Zeit mir dabei hilft, mit diesem großen Verlust umzugehen.

“Auch wenn ich Dich nie wieder sehen werde, weil Deine Reise auf dieser Erde zu Ende ist, weiß ich, dass alles gemeinsam Erlebte und all die wundervollen Erinnerungen an Dich nie verloren gehen werden, weil ich sie in meinem Herzen trage.”

Ich wünsche Euch allen ruhige, besinnliche Weihnachten und ein gesundes neues Jahr 2026

Türchen 2 (von Elena)

Adventruhe

Ich war das Hetzen und Hasten,

Von schön zu noch schöner, 

gestolpert über das nie und nimmer rasten.

Nun bin ich still,
Ich bin der Raum dazwischen,
Ich bin – das noch nicht und nicht mehr – das ich will.

Ich bin das Glitzern im Reif,
Die Wärme der Flammen,
Das Glühen im Sternenschweif.

Ich bin der Trubel und Jubel sinkender Flocken,
das güldene Innehalten
und ewiges Frohlocken.

Ich bin die alles enthaltende Leere,
Die Pause vor dem Einatmen,
Ich bin     .

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Ich bin jetzt stolz und großteils sehr zufrieden mit mir und meinem Leben und ich spüre wieder richtiges Glück. Was für ein Segen, was für eine Freude!
Das letzte Jahr hieß es für mich hier in meiner neuen Heimat in Graz anzukommen. Was gar nicht so leicht war, denn zunächst bin ich wegen Beziehung und Job noch alle zwei Wochen für mehrere Tage nach Wien gependelt. 

Die vielen Ortswechsel, emotionale Altlasten, neues Glück und die Vermischung von altem und neuem Lebensort forderten ihren Tribut und ich war über 6 Monate mit wiederkehrenden schlaflosen Nächten konfrontiert. So hatte ich mir den Neubeginn nicht vorgestellt. Zum Glück hatte ich parallel viele schöne Erfahrungen, wundervolle Natur um mich und einen liebevollen Partner, die mir in dieser Zeit trotzdem Kraft gaben.
Erst ab Juni konnte ich ganz hier, in Graz, sein und im Juli kam dann schon der Einzug meines Partners. Eine große Umstellung von Fernbeziehung auf fast 24/7 Zusammensein. Ich war im Homeoffice, mein Partner auf Arbeitssuche. 
Der Sommer war generell sehr bewegt. LaStrada Graz, ein Clownworkshop, Feuerzeremonien, ich steckte oft bis zu den Ellenbögen in der Gartenerde und zusätzlich gab es viele Besucher bei uns im Babajihaus. An Ruhe war meist nicht zu denken.

Im September stellte ich mich quer. Ich wollte nur noch Badeausflüge machen und so selten als möglich nach Wien. Es war als wenn man jemanden, der gerade einen Marathon gelaufen war, fragen würde ob sie nicht Lust hätte auf eine Gipfelwanderung. Neeeeein hat sie nicht. Ich wollte hier sein, mit dem was jetzt da war, dran war. Wollte Klarheit für offene berufliche und persönliche Fragen finden. Das tat ich dann auch. Ruhe kehrte ein. Wichtiges das nebenbei herrennen musste kam nun ins Zentrum.
Ich fand gemeinsamen und getrennten Raum in der Beziehung und unserer Wohnung. Ich hatte jetzt genug Zeit meine Selbständigkeit aufzubauen und mich auf meinen Diplomabschluss als Mal-und Gestaltungstherapeutin zu konzentrieren und dann auch final zu feiern! 

Eine reiche Zeit, durchsetzt von Momenten des leisen lauten Staunens.

In diesem Sinne wünsche ich euch eine ruhige und besinnliche Vorweihnachtszeit mit schönen Momenten im familiären Rahmen oder kuschlig allein zuhause! Elena

Türchen 1 (von Bernhard)

Unsere Tochter ist hochbegabt

Dieses Jahr kam unsere Tochter auf die Welt und ehe sie das Fruchtwasser ausspucken konnte, wurde uns klar: Hier muss eine Hochbegabung vorliegen! Während die anderen Säuglinge auf der Station ihr Dasein mit neugeborenentypischen Aktivitäten wie der Veräußerung erster Ausscheidungen fristeten, war unsere Tochter schon mit den tiefsinnigeren Fragen des Lebens beschäftigt und brachte ihren Weltschmerz ganztägig zum Ausdruck.

Von nun an wollten wir keine Zeit mehr verschwenden, denn wenn wir wirklich wollen, dass unsere Tochter noch im Vorschulalter die Universität “cum laudae” abschließt, sollten wir mit allem schon viel früher beginnen. So begannen wir beispielsweise schon in der zweiten Lebenswoche Beikost zu füttern. Und um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu erschlagen, bekam sie eine Buchstabensuppe, denn so konnte unsere Tochter auch gleich Lesen und Schreiben erlernen. Blöderweise dürfte sich aber ein “J” mit ihrem Gaumenzäpfchen verheddert haben (oder ein anderer Buchstabe mit Widerhaken), denn das gesamte Nudelalphabet wurde mitsamt Stangensellerie und Brühe sogleich wieder erbrochen. Ein Spezialist, den wir kurz darauf aufsuchten, um ihre Dyslexie zu behandeln, wies darauf hin, dass der Verzehr einer Buchstabensuppe nicht notwendigerweise zum Lesen und Schreiben befähigt. Als wir darüber nachdachten, konnten wir dieser Einschätzung durchaus etwas abgewinnen. Schließlich können Babys die Buchstaben im Mundraum nicht sehen, lediglich mit der Zunge ertasten. Also bereiteten wir erneut eine Suppe zu, diesmal mit Brailleschrift-Nudeln als Einlage.

Nachdem unsere Tochter auch diese Suppe nicht halten konnte, mussten wir umdenken und wir fanden den Fehler bei den Zuständigkeiten. Wieso sollten wir selbst unserer Tochter Lesen und Schreiben beibringen, wenn es dafür eigentlich ein Bildungssystem gibt? Wir als Eltern haben mit dem Hochbegabungs-Spektrum unserer Tochter ja ohnehin schon ein hartes Los gezogen. Also suchten wir eine auf Montessori-Pädagogik spezialisierte Elite-Privatschule auf, um dort feierlich unsere Tochter anzumelden. Die Schuldirektorin jedoch reagierte abschlägig, da unsere Tochter ihrer Meinung nach noch nicht die Schulreife erlangt habe. “Sie sollte doch zumindest aus den Windeln raus sein”, sagte sie.

Wir entledigten also unsere Tochter ihrer Windel und um die Chancen zu verbessern, gaben wir unserer Buchstabensuppen-Strategie einen neuen Anlauf. Am nächsten Tag suchten wir also erneut die Leiterin der Privatschule auf. Auf dem Weg zum Direktorenzimmer bemerkten wir, dass es schon seit längerer Zeit seitlich aus dem Strampler unserer Tochter in bräunlichem, wenn nicht senfgelblichen Ton herabtropfen musste, denn der gesamte, von uns zurückgelegte Weg konnte bis zum Schuleingang zurückverfolgt werden. Als wir das Zimmer betraten, erbrach unsere Tochter plötzlich 5 Liter Brailleschrift-Suppe, die wir ihr kurz davor verabreichten. Unverzüglich hob die Direktorin den Telefonhörer ab, rief bei irgendeiner Nummer an und sagte: “Ich habe hier ein Kind, dem besondere Beachtung zukommen sollte!”

Wir hatten es also geschafft! Die Besonderheit unserer Tochter wurde erkannt. Zufrieden gingen wir nach Hause. Am nächsten Tag kam bereits ein ganzes Betreuungsteam bei uns zu Hause vorbei und nahm unsere Tochter mit. Sie zeigten uns ein behördliches Dokument und teilten uns mit: “Sie sind ab sofort von der Obsorgepflicht Ihrer Tochter entbunden!”. Nun kümmerte sich also der Staat um ihre Fortentwicklung. Endlich war unsere Tochter in den richtigen Händen! Seitdem haben wir auch nichts mehr von ihr gehört.

Nun ist Weihnachten, und wir fragen uns, wie steil ihre Karriere wohl schon vorangeschritten sein muss. Wird es ihr überhaupt möglich sein, ihr erstes Weihnachten feierlich zu begehen oder zwingt sie der akademische Wettbewerbsdruck zum Verfassen eines Papers für ein Journal selbst in dieser hochheiligen Nacht? Natürlich vermissen wir sie, aber wenn sie es einmal besser haben sollte als wir, dann ist es gut und recht, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse zurückstecken. Und solltet ihr unserer hochbegabten Tochter auf irgendeiner High-Potential-Jobmesse begegnen, richtet ihr aus, dass wir unfassbar auf sie stolz sind.

Türchen 24 (von Marcel)

Mit der Beschäftigung für den Blogsinn Adventskalender 2024 kam ich nicht umhin, wieder meinen eigenen Beitrag vom 24. Dezember letzten Jahres zu lesen. Zufälligerweise war gerade meine Freundin anwesend und sie bat mich, ihn ihr vorzulesen. Viele verschiedene Gefühle kamen beim Lesen hervor: Schmerz und Traurigkeit, weil ich noch genau weiß, wie es sich anfühlte, als ich ihn schrieb. Mein Wunsch nach romantischer Liebe. Und gleichzeitig so viel Dankbarkeit, nun einen Menschen an meiner Seite zu haben, welchen ich im damaligen Text beschrieben und mir erhofft habe. Es fühlte sich fast surreal an, ihr diesen Text vorzulesen, als würden zwei Momente gleichzeitig existieren. Jedenfalls flossen am Ende Tränen und sie nahm mich in den Arm. Angekommen.

In den folgenden Wochen bekam ich gleich von mehreren lieben Menschen in meinem Leben eine Nachricht, die auch nochmal meinen Text gelesen haben und gleiches wahrgenommen haben. Das Leben, wirklich immer wieder interessant und überraschend. Wie schnell sich Dinge im Leben ändern können, wissen wir alle – auch wenn wir es gerne mal verdrängen –, umso wichtiger ist es, anzunehmen, was ist und sich darüber zu freuen.

In der Nachbetrachtung meiner Lebensphase “Suchen & Finden” (sowohl mich selbst, als auch eine Partnerin) habe ich folgendes gelernt: Es braucht die Bereitschaft, sich immer die Offenheit zu bewahren, um Neues zu entdecken und zuzulassen. Offenheit im Herzen und im Geiste. Gleichzeitig habe ich die Zeit der Selbstfindung gebraucht, um überhaupt dahin zu gelangen, mich vorzubereiten, um offen zu sein. Ich wollte dann einen Menschen in mein Leben einladen, wenn ich eigentlich keinen Menschen in meinem Leben bräuchte, um glücklich zu sein. Klingt widersprüchlich, ist es aber nicht. Nur so konnte ich völlig auf Augenhöhe begegnen und meine Partnerin ehrlich so sehen und annehmen, wie sie ist. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich diese Offenheit, so sehr ich auch dachte, ich hätte sie schon, eigentlich noch nicht hatte. Die Befürchtung vor schmerzlichen Erfahrungen hat verhindert, sie gänzlich zuzulassen. Erst im Laufe unserer Beziehung habe ich das herausgefunden, dass ich länger auf einer gewissen Distanz zu ihr war. Sie stand vor meinem Herzen, aber ich habe sie nicht eintreten lassen. Den Unterschied erkannte ich erst, als ich sie schlussendlich hinein gelassen habe; mich ganz eingelassen habe. Ich habe Macht für das Glück in meinem Leben abgegeben und fühle mich daher auch verletzlicher, aber gleichzeitig fühle ich mich auch geschützter, freier und noch näher bei mir. Ich spüre große Dankbarkeit für ihre Liebe und Annahme, welche mich als Mensch wachsen lässt.

Ein Jahr später: Ich bin in einer sehr glücklichen romantischen Beziehung (heute übrigens exakt unser Zehnmonatiges!). Ich bin dankbar für Sie und die neuen Erfahrungen, die ich erleben darf. Diese bleiben mir für immer, egal was ich nächstes Jahr hier an dieser Stelle schreiben werde.

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DANKE an alle Teilnehmenden und Leser:innen. Wie jedes Jahr, bin ich auch dieses Mal wieder tief gerührt und berührt von euren Beiträgen gewesen. Ich danke euch von ganzem Herzen für das Mitmachen und Teilen. Frohe Festtage und einen guten Rutsch. Euer Marcel.

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Nun möchte ich den Blogsinn Adventskalender 2024 mit einem Gedicht schließen:

Karl traf Emma im Herzen, Emma ging runter in Schmerzen, ihr war nicht zu Scherzen aufgelegt und bei der Liebe sollten wir ohnehin nicht hetzen. Würden wir uns mal hinsetzen und unser Hirn kurz aussetzen, so könnten wir unsere Wünsche spüren, wohin sie uns führen und nicht nur auf Impulse setzen und zu unseren König:innen küren. Emma, immer noch liegend, sah zu Karl hinauf und stand langsam wieder auf, er nahm sie an der Hand und half ihr rauf. Hier so direkt vor ihm, konnte sie ihn sehen, sein wehen, sein zehren nach ihrem gemeinsamen Bestehen. Aus seinen Augen flossen unablässig Tränen, in ihren lagen Schmerz, Zuversicht und Begehren. Er stand nackt vor ihr, ob wortwörtlich oder übertragen, lassen wir die Fantasie dir ins Ohr sagen. Jedenfalls, noch immer Hand in Hand voreinander stehend, versuchten Karl und Emma zu erkennen, was sie noch nicht von sich selber kennen oder wovon sie schon ihr ganzes Leben lang davon rennen. Mit großem Mut legte Emma ihre Hand vorsichtig auf Karls anschmiegsame Wange, seine ist wirklich keine von der Stange. Sie streichelte ihn langsam, beugte sich vor und flüsterte ihm folgendes ins Ohr: „Lass uns gemeinsam das Leben bereisen“. Karl blickte sie mit so viel Glück und Herzlichkeit an, das selbst Emma sich jetzt nicht mehr halten kann. Sie zieht Karl an sich und küsst ihn mit Anmut und Verlangen, dann ziehen sie von dannen.

Irgendwann werden sich die beiden wieder fangen, bis dahin bleiben sie in diesem Moment gefangen. Doch ihr müsst jetzt nicht Bangen, gefangen sein in der Liebe in eine Form der Freiheit und braucht nur selten unser Beileid. Aber das müssen Emma und Karl alleine herausfinden, wir wollen uns jedenfalls nicht länger an sie binden. Lassen wir sie in ihren privaten Sphären und schreiben unsere eigene Geschichte und manchmal auch schöne oder sinnlose Gedichte, um unsere Liebsten zu ehren.