Türchen 8 (von Elena)

Zur unbefleckten Empfängnis der Maria hatte ich Lust eine Ikonografische Darstellung zu illustrieren. Ich entschied mich allerdings zu Ehren der Adventfamilientradition für die Vanillekipferlfee. Doch im Stillen geht es eigentlich an diesem Tag um Sex bzw. seine befleckte Abwesenheit.

Als Künstlerin speise ich eine große Kraft aus meiner Libido, doch entgegen dem was viele Menschen darunter verstehen, ist sie für mich nicht nur die auf die Sexualität beschränkte Kraft, sondern die Lebenskraft selbst. Es braucht für uns Menschen das Männliche und das Weibliche um neues Leben entstehen zu lassen. Um Entwicklung in Gang zu bringen. Diese Kraft spüren wir natürlich direkt beim Sex, aber es sind auch Kräfte, die wir alle in uns tragen und anzapfen können. Als Frau trage ich wie jeder Mensch einen inneren Mann und eine innere Frau in mir. Carl G. Jung nannte diese beiden Pole Animus und Anima. Sind sie in Balance, fließt es in mir, das Leben, meine Ausdruckskraft, mein Wille und ganz allgemein mein Selbst. Aber mahl ehrlich. Andauernde Harmonie und Balance. Wann passiert das schon? Ein immer gleicher Tonus wäre ja auch etwas unlebendig. Für mich persönlich ist körperlicher Sex, die Liebe in einer Beziehung und auch die Beziehung dieser beiden Pole in mir ein Lernfeld ohne Ende. Habe ich ein Thema abgehakt, kommt schon das nächste daher.

Dieses Jahr begann ich in voller Fülle, innerer Sicherheit, meine Anima hatte so richtig aufgetankt und war in ihrer liebevollen Power. Das Frühjahr brachte mit dem Lockdown Veränderung. Ich machte mich als Illustratorin und Grafikerin selbständig. Was für ein Sprung ins Meer der Ungewissheit! Von 0 auf 200 Prozent wechselte ich von meiner empfangenden Anima in meinen kämpferischen und leistungswilligen Animus. Ich hackelte für mich, für meine gewonnen Kunden, für meine Ausbildung zur Kunsttherapeutin. Pause, kaum vorhanden. Die Beziehung zu meinem Partner war unglaublich nährend für mich in dieser Zeit. Ein Fleckchen Freiheit für meine Anima. Wohl wissend, dass nicht mein Partner oder unsere Beziehung die alleinige lebensspendende Flamme sein sollte, war es zu dieser Zeit Großteils dennoch so und ich bin unglaublich dankbar. Im September starb ein naher Freund an Krebs, 36 Jahre, kein Alter, keine Chance. Mit ihm wurde meine langjährige Verbindung zu Oberösterreich begraben. Dazu gehörten: Jugendliche grüne revolutionäre Gedanken, Abschluss einer alten Liebe und Verabschiedung vieler Freundschaften. Trotz intensiver Gefühle, nahm ich mir nicht die Zeit zu trauen. Denn woher sollte ich diese Zeit nehmen?

Ich brannte und brannte weiter, weil stehenbleiben war für mich keine Option. Der Begriff Burnout scheint mir jetzt viel klarer als früher. Mein Animus peitschte mich voran, die Anima verkroch sich im letzten Loch. Ich wurde härter und strenger, riss mich zusammen und verlor Anteile meiner Lebendigkeit und Libido. Vor zwei Wochen verlor ich diesen einen großen Kunden dennoch, obwohl ich hart gearbeitet hatte und ich das Einkommen dringend benötige. Trotz existentiellen Fragen, die nun aufkommen, bin ich froh darüber. Denn so will ich nicht sein. Für das habe ich mich nicht selbständig gemacht. Ich will mehr Lebendigkeit, nicht weniger. Will meine Libido steigern. In meiner Sexualität, in meiner Partnerschaft und in meinem alltäglichen Sein.

Ich habe dieses Jahr viel für mich erreicht, kann stolz sein auf mich. Bin ich auch in gewisser Weise, mein erstes Kinderbuch erschien vor ein paar Tagen, ich habe Komfortzonen durchschritten, an die ich mich vor 2 Jahren niemals gewagt hätte und ich habe mich in einer der wirtschaftlich heftigsten Zeit selbständig gemacht. Jetzt brauche ich Mut zur Feinjustierung. Mich auch mal zu entspannen, wenn es weniger ist und weniger kann das Leben. Nur dadurch kann es Friede geben zwischen Anima und Animus, in mir die Vereinigung. Vielleicht wäre das ja meine ganz persönliche unbefleckte Empfängnis.

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