Let’s talk about … Nein.
Ich bin ja schon ein bisschen älter und das Studium und die Foucault-Lektüre ist schon ein bisschen her. Aber wenn jemand sagt „Wir sollten mehr über Sex reden“, werde ich stutzig. Nein, ich glaube nicht, dass wir das sollten, bzw. würde den Appell zurückweisen. Und mit ein bisschen Nachdenken fallen dafür, gewissermaßen nachträglich zur beinahe instinktiven Abwehr, sogar Gründe ein.
Zunächst: nein, ich denke nicht, dass ich über Sex mit irgendwem anderen reden sollte, als ich es nicht bis jetzt ohnehin tue. Mit Partnerinnen, mit Freunden, mit Freundinnen. Ich wüsste nicht, warum ich an dieser Praxis etwas ändern sollte. Ich denke nicht, dass ein weiteres, ein „Mehr-Reden“ besser wäre, für mich, die ZuhörerInnen, für irgendjemanden. Insofern: Ich sehe keinen Bedarf. Weiters: ich will auch nicht wirklich etwas über die Sexualität von Menschen wissen, die nicht auch bislang mit mir darüber reden wollten. Vereinfacht gesprochen (und so natürlich nicht generalisierbar) interessiert mich die Sexualität meiner ArbeitskollegInnen oder SportvereinskollegInnen oder MitfahrerInnen in der U-Bahn eigentlich nicht. Und möglicherweise würde es das Zusammenleben als ArbeitskollegInnen, MitfahrerInnen in der U-Bahn oder im Sportverein eher ins Unvorteilhafte verändern. So genau kann ich mich nicht mehr erinnern (auch das ist schon ein bissl her), aber das Beständige Diskursivieren der eigenen oder fremden Sexualität lässt sich auch als „Terror der Intimität“ (oder Überintimisierung) beschreiben. Ich möchte mit jemanden Sport machen, und mich nicht dafür interessieren müssen, wer wen (oder von wem) gerne mit einem Strap-On …. Man ahnt, worauf ich hinaus will?
Gut, bislang habe ich über mich geschrieben. Kein Wunder, bei solch einem intimen Thema. Aber es gibt mehr. Man kann berechtigterweise bezweifeln, dass das Reden über Sexualität – oder besser: der Appell mehr darüber zu reden! – recht sinnvoll ist. Und zwar – Soziologie! – weil der Appell an das Subjekt nicht viel bringt. Wenn es denn so sein sollte, dass wir zu wenig über Sexualität reden, sollten wir uns überlegen, warum das so sein könnte. Und wenn es dafür gesellschaftliche Gründe gäbe, hilft der „voluntaristische“ Appell nicht recht viel, der Appell an das vermeintlich handlungssouveräne Subjekt. Gesellschaftliche Verhältnisse lassen sich nicht dadurch verändern, dass wir das wollen, oder wir uns das wünschen. Bzw. kann man sich die Frage stellen: Warum der Geständniszwang in Bezug auf den Sex? Was macht den Sex so besonders? Sexualität ist eine besondere Sphäre der Subjektivierung, die Summe meiner sexuellen Erfahrungen, aber auch der gesellschaftliche Umgang mit meiner Sexualität (oder meinem Begehren), prägen mein Selbst. Didier Eribon beschreibt das sehr fein in der „Rückkehr nach Reims“. Warum sollte diese intime Subjektivierung einem „Mehr-darüber-Reden“ unterworfen werden, einer Entäußerung in eine gesellschaftliche Sphäre? Warum sollte es dieser intimen Subjektivierung dienlich sein, mit anderen Personen darüber zu reden, als ich es ohnedies möchte? Bzw. – wenn ich nicht darüber reden möchte – was hieße dies in diesem Diskurs über meine Sexualität? Darf man überhaupt Nicht-Reden, oder macht sich dann das Nicht-Reden verdächtig? Und in Bezug auf „Make Sex normal“ – welche Normierung ist damit gemeint, und was ist außerhalb dieser Norm?
Was heißt das jetzt alles? Auf gar keinen Fall, dass man nicht über Sex und Sexualität und Lust und Begehren reden sollte. Aber, dass es berechtigte Zweifel darüber gibt, ob es ein „befreites Reden über Sexualität“ geben könnte, nur weil wir uns das wünschen würden. Oder, dass wir einer „befreiten“ Sexualität näherkämen, würden wir mehr darüber reden. Die Sache ist wahrscheinlich komplexer. Wir müssen also nicht unbedingt mehr über Sex reden, sondern viel eher über die gesellschaftlichen Bedingungen, die den Sex unfrei machen. Zum Beispiel: es geht nicht darum dass einzelne Personen mehr über ihre Homosexualität reden, sondern darum eine Gesellschaft zu schaffen, in der man ohne Probleme zu seiner/ihrer Homosexualität stehen kann oder reden kann. Aber insofern man auch Mehr-Reden über das „Mehr-Reden über“ kann, bin ich froh über den gedanklichen Austausch.
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