Türchen 10 (von Corinna)

Zugegebenermaßen, Marcel musste mich etwas überreden bis ich mir heuer doch wieder ein Türchen zuteilen habe lassen. Nicht, dass es mir letztes Jahr keinen Spaß gemacht hätte, ich finde die Idee sogar großartig, aber im Vorfeld stellt sich bei mir dann doch eine Art von Druck ein: Ich lese die ersten Türchen, die interessanten Texte und bin mit dem eigenen Türchen und einer latenten Ratlosigkeit konfrontiert.

Bis vor kurzem habe ich meine Idee, eine Streitschrift darüber zu verfassen, warum der Weihnachtshase das einzig Logische ist und sowohl Weihnachtsmann als auch Christkind logische Schwachstellen aufweisen – wie wurde aus dem Jesuskind ein Engerl, das Geschenke verteilt und woher hat dieser Weihnachtsmann einen fliegenden Schlitten?!, wohingegen der Hase, wenn er doch zu Ostern schon die Eier oder Geschenke versteckt, natürlich zu Weihnachten genauso gut Geschenke bringen kann,… – für äußerst spannend und erörterungswürdig gehalten. Kurzfristig habe ich mich dann aber doch dazu entschlossen, diesem Thema erst beim nächstjährigen Adventkalender mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Dazu bewogen hat mich, unter anderem, dieses Wochenende, das ich in St. Pölten, meiner Heimatstadt, verbracht habe. Ich wohne zwar schon seit über 10 Jahren in Wien, dennoch ist es per se nichts Außergewöhnliches, dass ich dort war, nachdem das zumindest alle paar Wochenenden der Fall ist. Am Samstag war ich bei einer meiner besten Freundinnen zum Frühstück eingeladen, danach einkaufen mit meiner Mutter und am Abend waren wir auch bei engen Freunden zum Essen eingeladen. Am Sonntag trafen wir uns wiederum mit einigen unserer längsten und engsten Freundinnen und Freunde zum Brunchen in der Stadt. Auch das ist nichts allzu Ungewöhnliches. Wenn ich bzw. mein Freund und ich in St. Pölten sind, versuchen wir, neben unseren Familien, auch immer einige unserer Freundinnen und Freunde zu treffen (die meisten davon leben (wieder) in St. Pölten).

Am Samstag meinte meine Freundin, als ich in der Früh zu ihr kam, wie erstaunlich und erfreulich es ist, dass wir seit über 20 Jahren befreundet sind.

Das ist es tatsächlich.

Die meisten meiner besten und engsten Freundinnen und Freunde kenne ich seit über 20 Jahren oder zumindest fast so lange. Wir kennen uns eigentlich fast ausschließlich dadurch, dass wir, zumindest für eine gewisse Zeit, gemeinsam in einer Klasse waren – die Fluktuation war mitunter hoch – und praktisch zufällig zusammengewürfelt wurden. Aber wer von uns hätte vor so langer Zeit gedacht, dass unsere Freundschaft auch über die Schulzeit bzw. unterschiedliche Schulklassen hinweg halten wird?

Wir waren teilweise oder zeitweise über weite Strecken getrennt wie Australien und Österreich, England und Österreich oder auch durch kurze Strecken wie Steyr und Krems oder St. Pölten und Wien. Wir haben lange und kurze Urlaube miteinander verbracht und machen das nach wie vor. Früher haben wir uns jeden Tag in der Schule gesehen oder sind zumindest an den Wochenenden gemeinsam fortgegangen. Jetzt sehen wir uns vielleicht nicht mehr so oft, aber feiern die größeren Dinge wie Hochzeiten, Geburtstage oder Taufen miteinander, feiern Weihnachten und Ostern oder nutzen die Gelegenheit, dass wir uns gerade in der selben Stadt befinden. Zu unserem Freundeskreis sind in Form von Partnerinnen oder Partnern langsam neue Leute dazugekommen, die ich ebenso als Freundinnen und Freunde bezeichnen kann, genauso wie sich auch innerhalb unseres Freundeskreises Partnerschaften gebildet haben, wie glücklicherweise auch in meinem Fall.
Über diese lange Zeit hinweg haben wir uns sicher alle verändert, wir sind älter geworden, unsere Einstellungen und Prioritäten haben sich vielleicht etwas geändert, erstaunlicher- und glücklicherweise hat das aber nichts an unserer Freundschaft geändert.

Oft lebt man ja in sowas wie einer Blase und erst ein Schritt zurück, quasi auf die Metaebene, macht mir bewusst, was ich eigentlich habe und dass das nicht selbstverständlich ist.

Aber natürlich ist das nicht Exklusiv.

Auch Familie, Partnerinnen oder Partner, so wie auch neue Freundinnen und Freunde, die man vielleicht vergleichsweise kurz kennt, sieht man oft als selbstverständlich an. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass man sie nicht zu schätzen weiß.

Von Zeit zu Zeit ist es dennoch gut, sich das auch zu sagen. Manchen Menschen fällt so etwas sicher leichter als anderen. Ich würde mich tendenziell eher zur zweiten Kategorie zählen und sehe daher mein heutiges Türchen als kleines Plädoyer (auch an mich selbst), den Menschen, die einem wichtig sind und für die man dankbar ist, das auch von Zeit zu Zeit zu sagen bzw. zu zeigen,.. aber nicht zwingend nur, weil gerade Weihnachten ist.

Türchen 9 (von Ben)

Carpe diem, seize the day. Everyone has known it for a while but it has taken me some time to catch up. Even at 23, I’ve felt recent years going too fast and blending together – until this year. Spending time in Peru, a world away and well outside my comfort zone was maybe the most memorable two weeks of my life and I’m already itching for more. Something about immersing yourself in another culture, far from home luxuries made me and my problems seem small. Even just 6 months later I feel ready to take the next step and see another side of the planet. I want to traverse the deserts of America, navigate the cities in the Far East and and walk through the African plains. (But not before another visit to Wien).

For a while I’ve added and added to my bucket list with it growing steadily larger over the years but now I’m feeling ready to start ticking things off. I’ve come to the conclusion that my twenties might not be best spent working the 9-5 grind and that I should be creating the experiences and memories that I want.

So live in the moment and be spontaneous because, and dare I say it, you only live once.

Türchen 8 (von Elena)

Hot air

I am in Oxford. Taking another training in couples therapy.

It’s been pouring rain since the morning, but during the lunchtime sky has cleared. The street with shop windows and cafes is shimmering bright from colorful Christmas decoration. People passing by are rushing somewhere, with someone or around something. I am sitting on the bench in front of the Christ Church College while taking pictures of the clouds. I am taking pictures of white stuff, or better „hot air“ instead of the building.
It makes me think of Monet and his present exhibition in Albertina… not of any particular painting… it’s rather Monet’s quote from 1895 that jumps into my head: „Other painters“, he wrote „paint a bridge, a house, a boat . . . I want to paint the air that surrounds the bridge, the house, the boat . . . the beauty of the light in which they exist“.
Wow I thought. Monet really ‘got’ that awesome stuff what we need to look for and be aware of in our relationships. It’s the „hot air“, the unique memory of moments…
Monet really got the essence of what I am trying to do in my couple‘s therapy. I am not interested in bridges or houses or boats, as it were, either. I am not interested in solutions for the couples problems but in the lives within which those solutions exist – effortlessly, naturally and obviously, the air, in other words, within which they take on life.

What does couple‘s therapy have in common with a Monet Painting?’
Wait for it. Wait foooor it.

And the answer is:

They both contain a lot of hot air.
They both are just „white stuff“.
Monet painted the House of Parliament in a foggy morning in London. One cannot recognize the form of the building. And it’s a unique masterpiece – painted repeatedly in different weather conditions. If Monet stayed in London, he would have produced the same image again and again (as he had done his Gardens in Giverny.)
Every relationship that we choose has a great dynamics, because when we feel connected, interact, laugh, talk, argue, we experience that „hot air“. It can seem foggy, frosty, or sometimes it’s the Toscana air shimmering with colors.

Can you remember what that awesome „hot air“ felt like in the moment you discovered that someone was enjoying being around you?

Tell them. In details.

 

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Türchen 5 (von Frieda Notter)

Über die positive Kraft negativer Gefühle

Vor kurzem war ich auf einer Veranstaltung, auf der neben ein paar eher nüchternen Vorträgen über „The science of love“ und „The science of sex“ auch Lieder über die befreiende Kraft des Nacktseins gesungen wurden und das Publikum zu allerlei Übungen eingeladen war, zum Beispiel dem Nachbarn in die Augen zu schauen und ihm/ihr dann zu sagen, was einem an einem selbst gefällt. In einem der Vorträge dort ging es um „fear and resistance“ – um Furcht und Widerstand. Dass man sie überwinden müsse, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, um Frieden zu schaffen und glücklich zu sein.
Da ich ziemlich Esoterik – avers bin regt sich bei mir bei solchen Veranstaltungen schnell mal – ja genau – Widerstand. Das kenne ich schon von mir. Ich finde das dann blöd und peinlich und will es nicht hören. Diesmal wollte ich mich zumindest mal ernsthaft damit auseinandersetzen und das Gehörte wohlwollend prüfen. Und ja, es stimmt schon: Widerstand hält einen manchmal von den schönsten Erlebnissen ab und Furcht, ja wenn man die überwindet, wird man nicht selten belohnt. Trotzdem: das Unbehagen blieb.
Am Abend habe ich das noch mit ein paar anderen Festival-Besucherinnen diskutiert und da sagte eine „Wieso, „Resistance“ ist doch etwas ganz Wichtiges, gerade im politischen Kontext“. Und jemand anders ergänzte: „Wenn wir uns nicht fürchten würden, wären wir schon alle tot“. Recht haben beide. Ich habe darüber noch in einem anderen Zusammenhang nachgedacht – in Bezug auf Kontakt mit anderen Menschen. Vielleicht sogar auf körperlichen Kontakt. Muss ich den Widerstand, den ich beim Gedanken an Kontakt mit bestimmten Menschen spüre, überwinden? Entgeht mir etwas, wenn ich es nicht tue? Gefährde ich gar den (Welt-)Frieden? Oder ist dieser Widerstand, dieses Nein etwas, was zunächst mal einfach so sein darf? Muss ich mich fragen, warum ich ein Nein fühle oder darf ich es einfach so hinnehmen.

Gerade wenn es um Berührung und ja auch Sexualität geht, ist uns hoffentlich allen nicht erst seit MeToo klar, dass ein Nein in jedem Fall zu respektieren ist. Doch um dieses Nein aussprechen zu können, muss ich es zunächst einmal selbst fühlen können. Ich muss mir eingestehen, dass ich diese Person unangenehm finde, dass ich sie ablehne, sie vielleicht sogar hasse (schlimmes Wort in einem Blog über Liebe, ich weiß). Oder dass ich sie zwar mag, aber dass ich sie trotzdem nicht berühren mag. Oder dass ich zwar da von ihr berührt werden mag aber nicht dort. Oder dass ich zwar gestern gerne mit ihr zusammen war, aber es heute nicht (mehr) bin. Wenn ich mir das alles eingestehe, wenn ich mir meinen Widerstand eingestehen – dann kann ich Nein sagen. Das ist nicht angenehm. Damit verletze ich vielleicht jemanden. Das wird sich nicht immer vermeiden lassen. Aber meinen Widerstand zu achten hat zwei große Vorteile : ich achte mich selbst (das ist nicht zu unterschätzen, das ist wichtig, um genug Kraft zu haben für unsere anstrengenden Leben und die Menschen, die wir lieben und die uns brauchen) und vor allem: nur wenn ich Nein sagen kann, kann ich auch aus ganzem Herzen Ja sagen. Und Ja zu sagen. aus ganzem Herzen zu einer Begegnung mit einem Menschen ist ein wunderschönes Geschenk! Für beide!

Zum Schluss will ich dazu anregen, konkret zu werden. Was könnte es bedeuten, wenn wir auch und gerade in der Weihnachtszeit unsere negativen Gefühle achten würde. Unsere Trauer über Verletzungen, unsere Angst, unsere Wut, unsere Überforderung, unsere Ablehnung, unseren Widerstand. Wenn wir uns vornehmen würden, sie zu akzeptieren, sie einmal nicht zu hinterfragen, vielleicht sogar nach ihnen zu handeln. Welches Nein würde das nach sich ziehen? Aber vor allem: Welches Ja würde es ermöglichen?

Türchen 4 (von Sebastian)

Die Verabschiedung

Etwas später als gewohnt begebe ich mich an diesem Mittwochmorgen Ende November außer Haus. Ob des heftigen Regen in der vergangenen Nacht, entscheide ich mich gegen den Fußweg durch den, mit Sicherheit etwas schlammigen und den Schuhen nicht zuträglichen, Park und für die Anreise ins Büro mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Neben einem einzigen roten und einem hellbeigen Wintermantel, erwartet mich in der Garnitur der U6 ein Meer aus winterlichen Grau-, Blau- und Schwarztönen. Ich stelle mir vor, dass es im Inneren all dieser Menschen genau gegengleich aussieht. Viele farbenfrohe Gedanken und erfreuliche Überlegungen und nur vereinzelt düstere Stimmung.

Die meisten Fahrgäste sind auf dem Weg in die Arbeit. Darunter mischt sich noch eine handvoll Schulkinder, die sich in Ihrer Hoffnung einig sind, dass im Turnunterricht ausschließlich Fußball gespielt werden wird.

Ein elegant gekleidetes altes Ehepaar ist, den aufgeschnappten Wortfetzen nach, am Weg zu einem gemütlichen Frühstück mit Jugendfreunden.

Mir gegenüber unterhalten sich Mutter und Tochter. Die Gewissheit über den Verwandtschaftsgrad liefern die identen Gesichtszüge, die selbst ob des Altersunterschied eindeutig zu erkennen sind. Das Gespräch lässt mich wissen, dass die Tochter in der Früh am Weg zur Universität ein Buch bei der Mutter abgeholt hat, welches Sie für eine Arbeit zitieren möchte.

Bevor ich noch andere Fahrgäste belauschen und beobachten kann, fährt die U-Bahn in die nächste Station ein. Einige wenige Fahrgäste steigen aus. Hier trennen sich auch die Wege von Mutter und Tochter.

Die Mutter eilt jedoch nicht sofort davon, sondern bleibt am Gleis stehen und winkt Ihrer Tochter energisch und anhaltend zu. Die Tochter erwidert das Winken mit einer Ihr ins Gesicht geschriebenen Freude.

Es schließen sich die Türen der U-Bahn doch wir treten nicht den Weg zur nächsten Station an – die Weiterreise verzögert sich und wir bewegen uns keinen Zentimeter.

Mutter und Tochter brechen das Verabschiedungswinken jedoch nicht ab. Mit jeder gewunkenen Sekunde die die Situation anhält, müssen die beiden mehr und mehr Schmunzeln. Als sich die U-Bahn schließlich nach einer halben Minute doch in Bewegung setzt, brechen Mutter und Tochter jeweils in ein lautloses Lachen aus. Als die Mutter schon fast aus dem Bildausschnitt verschwunden ist, zwinkert Sie Ihrer Tochter zum Abschluss noch einmal zu.

Vielleicht wird diese Szene mir länger in Erinnerung bleiben als den beiden Protagonistinnen und ist auch für den oder die LeserIn nur eine zufällig beobachtete Szene. Für mich steckt in dieser Verabschiedung jedoch sehr viel Schönes.

Zeige den Menschen, die dir wichtig sind, dass du sie gern – sehr gern – ausgesprochen gern hast oder gar liebst. Erwidere Empfangenes. Lass dich dabei nicht davon abhalten, dass dies jemand anderer beobachten könnte.

Habe Humor. Dann wirst du selbst an einem Mittwoch in der Früh am Weg in die Arbeit mit einem Lächeln durchs Leben gehen können.

Außerdem habe ich sofort meine Mama angerufen und mich zum Abendessen angekündigt.

Türchen 3 (von Erdoğan)

Tür! Ein sehr bedeutsamer Begriff. Es gibt materielle und sichtbare Türen, aber auch vielfach unsichtbare Türen im Leben, die durch Auf- und Zugehen unser Leben entscheidend beeinflussen. Wenn wir sie wahrnehmen, so können wir unser Leben im Griff haben, denn wenn eine der Türen zugeht, öffnet sich eine andere. Dazu ist aber Geduld nötig. Wie sagt man so schön: „Geduld ist der goldene Schlüssel für die Schatzkammer.“ Geschichten z.B. können uns sehr viele Lebensperspektiven eröffnen, damit wir die Tiefen des Lebens “fühlen” können. So würde ich euch gerne eine davon erzählen.

Die Geschichte einer Geschichte:

Jede Geschichte ist auf eine Art wie ein Pfirsich. Sie besitzt Schönheit, Nährwert und im Verborgenen, Tiefen, den Kern. Ein Mensch kann vom Äußeren emotional angeregt werden; er mag über einen Witz lachen oder sich an der Schönheit erfreuen, aber das ist so, als hätte man sich den Pfirsich nur ausgeliehen. Alles was man wirklich aufnimmt, ist die Form und Farbe, vielleicht noch den Duft, die Größe und die Beschaffenheit der Oberfläche. Man kann den Pfirsich jedoch essen und sich so einen weiteren Genuss verschaffen – seine Tiefe verstehen. Man kann den Stein wegwerfen oder ihn aufbrechen und einen köstlichen Kern darin finden. Er ist die verborgene Tiefe. Er hat sein eigene Farbe, Größe, Tiefe, seinen Geschmack und seine Funktion. Man kann die Schale dieser Nuss sammeln und mit ihnen ein Feuer nähren. Und, auch wenn die Holzasche von keinem weiteren Nutzen ist, so ist der essbare Anteil zu einem Teil von einem Selbst geworden.

Frohe Weihnachten im Voraus.

Türchen 1 (von Marcel)

Ja isch denn heut’ scho Weihnachten?!

Weihnachten steht wieder vor der Tür und die häufigste und gleichzeitig leicht ungläubige Frage, welche man in diesem Zusammenhang hört, ist eben diese:
„Ist wirklich schon wieder Weihnachten!?“. Aber nur bedingt wegen des bevorstehenden Stresses, der mit dieser Zeit einhergeht, sondern wegen der Erkenntnis, dass schon wieder ein Jahr vergangen ist. Schon wieder sind wir ein Jahr älter geworden, wieder hat sich die Erde einmal um die Sonne gedreht.

Bei den wenigen Konstanten im Jahr wird uns unsere Vergänglichkeit immer am Stärksten vor Augen geführt und die Geschwindigkeit, mit der sich unser Leben Richtung unserem Ende bewegt. In diesem Gedanke schwingt meistens ein melancholisches Gefühl mit, der Tod ist kurz wieder präsent, obwohl wir ihn meistens ja so erfolgreich unterdrücken. Wir leben unser Leben, als gebe es keinen Tod, aber nicht im positiven Sinne des bewussten Auskostens, sondern im Negativen des Verdrängens aus Furcht.

Aber warum sollten wir Angst vor etwas haben, wofür wir und unsere Körper schon mit der Geburt an bestimmt waren, was alle Lebensformen und alle Materie miteinander verbindet? Statt Angst und Verdrängung sollten wir in vollem Bewusstsein jeden Augenblick unseres Daseins und jede Sekunde mit den Menschen die wir lieben genießen. Das Leben ist ein kurzes, aber ganz besonderes Geschenk an uns. Wir wissen nicht, warum es gerade uns gewährt wurde, aber wir müssen uns wirklich vor Augen halten, dass wir als Menschen eine absolute Sonderstellung genießen dürfen, dass wir als einige wenige in ca. 13.000.000.000 Jahren kosmischer Geschichte ein Bewusstsein entwickelt haben, womit wir uns und unsere Umwelt so wahrnehmen können. Das Leben an sich und insbesondere als Mensch ist also ein Geschenk, welches wir allein schon aus purer Ehrfurcht annehmen und auskosten müssen. Wer wäre schon lieber ein Stein?!

Wir sollten Dankbarkeit dafür empfinden, dass wir da waren und uns kennenlernen durften.

Dankbarkeit für unsere Bekannten, KollegInnen und FreundInnen, die einen vielleicht das ganze Leben oder auch in wichtigen Lebensabschnitten zur Seite gestanden sind, welche uns Kraft gegeben haben, wenn wir sie gebraucht haben und uns oft besser kennen, als wir uns selbst. Menschen, auf die wir uns täglich freuen und uns zum Lachen bringen, die Teil unserer Leben sind.

Dankbarkeit für unsere Familie, welche ihr ganzes Leben für uns umgestellt und immer als Erstes an uns gedacht hat, so wie wir es vielleicht heute für unsere Kinder tun. Sie haben ihr Wohl und ihre Selbstverwirklichung hinten angestellt, damit es uns gut geht.

Dankbarkeit für unsere bessere Hälfte, mit der man über die Jahrzehnte so stark zusammenwächst, dass man im Prinzip zu einer Person verschmilzt. Ich bin jetzt seit 12 Jahren mit meiner wunderbaren Frau zusammen und habe gemerkt, dass ich sie von Jahr zu Jahr schöner finde, denn ihre Alterserscheinungen sind mit mir gewachsen, sie gehören zu uns.

Dankbarkeit für unsere Kinder und ihre bedingungslose Liebe; dass wir die Möglichkeit hatten, sie aufwachsen sehen zu dürfen. Sie haben uns so viel gekostet, aber noch so viel mehr geschenkt.

Dankbarkeit für unsere atemberaubend wunderschöne Erde mit ihrer schier unendlichen Vielfalt, die uns immer wieder verzückt und erstaunt, wie auch unser ganzes mystisches Universum.

Mit diesem Gefühl der Dankbarkeit sollten wir uns gemeinsam beim Wachsen und Welken zuschauen und uns daran erfreuen, dass wir diesen Weg zusammen beschreiten durften. Und auch wenn wir nicht wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen, so sollten wir doch die Zeit nutzen, die uns hier bleibt, dieser warme Hauch, dieses kurze Flackern. Lasst uns gemeinsam zelebrieren, dass wir am Leben sein durften, so dass wir mit Wehmut, aber nicht ohne Mut von dieser Erde treten werden!

Blogsinn auf Urlaub (von Marcel)

Liebe Leute, Blogsinn meldet sich aus der Schaffenspause wieder zurück. Zufälligerweise war ich zur selben Zeit wie Blogsinn auf Urlaub, geistig wie auch physisch ;-). Und auch wenn dies kein Blog der Urlaubsgeschichten sein soll, so möchte ich diesmal doch eine persönliche Erfahrung teilen.

Über die Medien erfahren wir sehr viel über unsere Welt. Wir wissen viel darüber, wie andere Kulturen leben, wie andere Vegetationen aussehen und wo welche Tiere leben. Es in Büchern oder im TV zu sehen, ist jedoch nicht das gleiche, wie es selbst zu erleben. Erst wenn wir es selber gefühlt und gespürt haben, dann wissen wir auch wie es wirklich ist. So wissen wir bspw. wie der Regenwald aussieht und welche Tiere sich darin befinden, aber wenn wir nicht in ihm gestanden sind, ihn mit den eigenen Sinnen wahrgenommen haben, wissen wir auch nichts darüber. Wir könnten vielleicht ein Bild vom Dschungel malen, aber keine Geschichte darüber erzählen. Erst wenn wir es selbst erlebt haben, dann verstehen wir, erst dann verändert es uns, weil es auf uns wirkt. Das habe ich erfahren, als ich im Amazonas-Gebiet war und einige seiner BewohnerInnen kennenlernen durfte.

Während meiner Reise durch Peru, welche insgesamt einfach nur atemberaubend war, haben mein Bruder und ich einige Tage im Dschungel verbracht. Von Iquitos, der Stadt im tiefen Dschungel, abgeschnitten von der Außenwelt und nur über das Flugzeug oder mit dem Boot über den Amazonas zu erreichen, sind wir mit einem Boot ca. 2 Stunden den Amazonas zu einer kleinen Lodge mitten im Dschungel gefahren. Dort waren wir die einzigen Gäste für 4 Nächte, insgesamt waren wir 6 Tage im Amazonas Gebiet, man ist geneigt zu sagen „nur“ und dennoch war es wohl die intensivste Erfahrung, welche ich jemals gemacht.

Mit einer Ausdehnung von 6,7 Mio. km² über 8 Staaten ist der Amazonasregenwald der größte zusammenhängende Regenwald der Erde. Der Amazonas ist 6.400 km lang und besteht aus über 1.000 Flüssen. Nirgendwo auf unserem Planeten ist man dem Leben und Tod gleichzeitig so nahe, wie am gefühlten Nabel der Welt. Eine unvorstellbare Vielfalt von Leben, 10% aller Tierarten weltweit sind im Amazonas zu Hause und viele von ihnen sind tödlich. Die Tiere sind dort allgegenwärtig, im Fluss schwimmen weiße Delfine, immer wieder sieht man eine Affenbande von Ast zu Ast schwingen, Adler drehen ihre Kreise, Schildkröten kriechen und Frösche hüpfen herum. Fledermäuse zischen in der Nacht über die Köpfe und die handgroßen Spinnen krabbeln die Bäume hoch. Immer wenn man im Wald unterwegs ist, hört man ein Rascheln oder Knacken, man ist nie alleine. Die Geräuschkulisse im Regenwald ist zwar auf der einen Seite ein wenig unheimlich, aber vor allem unglaublich betörend und magisch.

In der Lodge haben wir in einer kleinen Hütte geschlafen, wo es keine Elektrizität gab und welche nur durch eine Wand aus Bambusstöcken sowie Moskitonetze Schutz vor „draußen“ bot. Über Nacht hatten wir ein Walkie Talkie, welches wir benutzen sollten, falls wir etwas bräuchten. Eine Person von der Lodge war die ganze Nacht über wach. Das Moskitonetz über dem Bett war nicht nur zum Schutz vor Moskitos, sondern man sollte es auch unter die Matratze stecken, so dass ungebetene Gäste nicht das Bett betreten können. Schuhüberprüfung vor jedem Reinschlüpfen ist genauso Pflicht, wie das komplette Schließen aller Taschen, Koffer und Rucksäcke. Bei jedem Toilettengang in der Nacht mit Taschenlampe beschlich einem ein beängstigendes Gefühl.

Für die Lodge arbeiten Ureinwohner des Amazonas Gebiets, diese sind mit uns auch jede Nacht in die Lodge mitgekommen und haben unser Zimmer nach Schlangen, Skorpionen oder Spinnen überprüft. Diese Menschen und ihre Vorfahren sind im Dschungel aufgewachsen, sie kennen nichts anderes. Es sind moderne Menschen, welche sich nicht gegen jegliche Neuerung stemmen, aber sich diese einfach nicht leisten können oder sie mitten im Dschungel schlichtweg nicht verfügbar sind. Sie haben keine Elektrizität, trinken das Wasser des Amazonas, waschen ihre Wäsche und baden darin. Wenn sie in die nächstgelegende Stadt wollen, brauchen sie mit ihrem selbstgebauten Boot ca. 3 Stunden. Dort ist auch das nächste Krankenhaus, falls etwas passiert. Mit diesem Boot haben sie uns herum gefahren und uns ihrer Community vorgestellt. In unserer Zeit im Regenwald haben wir mit Äffchen gespielt, viel von der Flora und Fauna gesehen bzw. über sie gelernt, haben Selbstgebrautes mit ihnen getrunken und eine spirituelle Ayahuasca Zeremonie mit ihnen durchgeführt. Das Gefühl mitten in der Nacht mit den Leuten in einer offenen einfachen Hütte im Dschungel zusammen zu sitzen, zu trinken und lachen, während draußen Schlangen, Affen, Faultiere, Kaimane, Skorpione, Jaguare, Spinnen, Riesenameisen herumtollen (das Gebiet ist die Heimat von 2,5 Millionen Arten Insekten, Zigtausenden Pflanzen und 2 000 Vögeln und Säugetieren), ist mit Worten nicht zu beschreiben. Genauso wenig wie zu Mitternacht auf dem Amazonas durch den Amazonas zurück zum Schlafplatz zu fahren/gehen.

Die Einheimischen haben den schmalen Grat wunderbar gemeistert, dass sie uns auf der einen Seite immer ein Gefühl der Sicherheit gegeben und uns doch so Nahe wie möglich an ihre Welt herangeführt haben. So durfte man z.B. bis ca. 17Uhr an vielen Plätzen im Fluss baden (keinesfalls überall, manche sind piranhaverseucht), aber danach kommen dann der Zitteraal und “other creatures” aus ihren Löchern gekrochen. Zeigt man ihnen einen Tier, kennen sie den Namen und wissen fast alles darüber. Sie wissen alles über den Amazonas, ihren natürlicher Lebensraum. Und das Imponierende war, wie sie mit ihrer Natur umgehen, wenn sie z.B. Müll im Wasser liegen sehen, machen sie teilweise einen Umweg um ihn herauszuholen. Sie wissen, dass diese Natur ihr Leben bedeutet.

Sie leben in unglaublicher Demut und das liegt daran, dass sie sich selbst nicht an der Spitze der Kette unserer Natur wähnen. In ihrer Community leben ca. 200 Personen und im letzten Jahr sind zwei Personen durch Skorpionbisse gestorben. Sie wissen, dass sie jederzeit verletzt oder getötet werden können. Aber sie sind deswegen nicht unglücklich oder verängstigt, im Gegenteil, sie verehren ihren Lebensraum. Wenn sie über den Amazonas reden, dann voller Wertschätzung, Ehrfurcht und Liebe. Das spürt man mit jeder Faser. Das war mehr als beeindruckend, ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie frei diese Menschen waren. Sie haben einfach ihren Platz gefunden, als Teil von etwas Größerem. Sie leben im echten Einklang mit der Natur.

So sind wir den Einheimischen des Amazonas, obwohl wir ihnen in so vielen Dingen voraus sind, in den wirklich essentiellen Dingen weit hinterher, weil wir unsere Wurzeln zur Natur verloren haben. Wir versuchen die Natur zu zähmen und unsere Verbindung zu ihr zu kappen. Vor allem in der Stadt wird alles dafür getan uns vor der Natur zu „schützen“. Das mag Sicherheitsvorteile haben, aber auch große Nachteile, weil wir nicht mehr wissen woher wir kommen, dass wir ein Teil von allem sind und nicht darüber stehen. Wir Menschen fühlen uns als die Könige der Erde, fühlen uns ihr überlegen. Wir denken, wir haben uns die Natur und unsere Erde zum Knecht gemacht, sie gebändigt. Damit irren wir uns aber gewaltig. Wer sind bitte wir lächerliche Menschen im Kontext der Erde mit einer Geschichte von ca. 4,6 Milliarden Jahren. Diese Überheblichkeit gilt es zu überwinden, sonst können wir nicht glücklich werden. Wir müssen wieder zusammenwachsen und dürfen uns da nicht raus nehmen. Außerdem wird die Erde irgendwann grausame und gnadenlose Rache an uns nehmen.

Die Amazonas Einheimischen haben mich durch ihre (Gast)Freundschaft, ehrliche Freundlichkeit und Liebe so nachhaltig beeindruckt, wie nie etwas zuvor. Wir haben in diesen 4 Tagen unsere Leben in ihre Hände gegeben und sie sind sehr sorgsam damit umgegangen. Ich habe allergrößten Respekt und Hochachtung vor ihnen und sie werden immer einen Platz in meinem Herzen haben. Der Amazonas mit allen seinen BewohnerInnen hat mein Leben für immer verändert!

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Liebesbrief an Superfly (von Marcel)

Pünktlich zur Party zum zehnjährigen Jubiläum von Radio Superfly (https://www.ottakringerbrauerei.at/events-fotos/event-detail/artikel/news/detail/superfly-birthday-night-2018/), wollte ich meine Gefühle für diesen wunderbaren Radiosender rauslassen und in einem Brief festhalten.

Liebes Radio Superfly,

das erste Mal nahm ich vor ca. 9 Jahren Notiz von dir, da habe ich immer wieder Werbung von dir in der Nähe vom Volkstheater gesehen, wenn ich dort herum geradelt bin. Das Logo fand ich ganz cool und funky, aber ich konnte mir nicht wirklich was unter dir vorstellen. Ich vergaß dich und viele Jahre zogen ins Land. Es war also nicht wirklich Liebe auf den ersten Blick. Während dieser Zeit hab ich eigentlich so gut wie nie Radio gehört, aber hin und wieder gutes über dich. Vor ca. 5 Jahren zog ich mit meiner Familie um, die Musikanlage bekam einen neuen präsenteren Platz und ich nahm mir vor generell mehr Radio zu hören. Ich zappte also durch die österreichische Radiowelt, welche mir doch sehr begrenzt erschien. Nach nicht ganz überzeugenden Ö1- und FM4-Erfahrungen erinnerte ich mich an dich: Superfly! Da war doch was! Soul, Funk, Jazz, Electro, das passt eigentlich. Ich hörte einige Tage rein. Das erste was ich heraus fand, war, dass ich so gut wie keines der Lieder welche gespielt wurde, kannte. Ich war mir nicht mal sicher, ob da überhaupt neue Lieder dabei waren. Aber egal, es gefiel mir, also hörte ich weiter.
In den darauffolgenden Wochen verschwand die anfängliche Skepsis und schon bald war ich unsterblich in dich verliebt. Seit dieser Zeit läufst du in so gut wie jeder freien Minute auf irgendeinem Device von mir. Ich höre dich, wenn ich auf dem Heimweg von der Arbeit bin und das erste was ich zu Hause mache, ist dich anzuschalten. Ich höre dich, wenn ich müde bin oder auch voller Energie. Ich lausche dich zugedröhnt, beim Spielen mit den Kindern, beim gemeinsamen Kochen, auf Grillfeiern mit Freunden, auf Familienfesten und allgemein, wenn die Wohnung voll ist; im Urlaub, auf Partys, im Sommer an der Donau, im Winter bei Schlittschuhlaufen und auch bei den intimen Momenten mit meiner Frau darfst du natürlich nicht fehlen. Du rundest einfach immer jeden Moment ab, ohne dich macht es halb so viel Spaß.
Und das wirklich Besondere an dir ist, dass du es schaffst, dass deine Musik einfach niemals nervt. Ich kenne keinen anderen Musiksender, bei dem es nicht nach einer Zeit zu viel wird. Du hingegen, liebes Superfly, kannst für Stunden im Hintergrund laufen, ohne das es irgendjemanden stört. Im Gegenteil, du bist oft die Energie, welche die Stimmung aufhellt und alles trägt. Und immer wieder sind dann Lieder dabei, welche man richtig laut hören möchte und wo man sich wie ein kleines Kind freut.
Ich finde es auch unglaublich, wie du immer wieder diese Perlen herauspickst und uns präsentierst. Du hast mir so viele Songs geschenkt, durch dich durfte ich so viele tolle Interpreten kennenlernen, dafür gebührt dir all mein Respekt, mein Dank und natürlich meine Liebe.

Und nun also dein 10jähriges Jubiläum. Ich wünsche dir allerliebste Glückwünsche und hoffe von tiefstem Herzen auf noch viele weitere gemeinsame Jahre. Du hast mein Leben bereichert, ohne dich würde ein Teil von mir fehlen. Du bist wie ein Familienmitglied, meine beiden kleinen Kinder wachsen mit „98,3 SSSuperfly!“ auf.
Du hast mir, meiner Familie und meinem Umfeld unglaublich viel Freude, Liebe und Kraft geschenkt und du bist immer für mich da, wenn ich dich brauche! Deine Musik inspiriert, tröstet und spendet Glück. Ich möchte alt mir dir werden und eines Tages, wenn ich 70 Jahre bin, werden die Kinder, wenn sie dich oder deine Musik hören, an mich und an unsere gemeinsame Zeit denken. Diese Momente werden uns für immer bleiben. Die Superfly Musik wird zu diesem Zeitpunkt natürlich schon historisch sein, wie für uns die Beatles oder Elvis, aber so ist das Leben, wir sind alle vergänglich und haben ein Ablaufdatum, aber wir müssen die gemeinsame Zeit nutzen, Momente teilen und Gefühle schaffen, welche wir unser ganzes Leben in uns tragen und uns für immer verbinden werden.Und genau das machst du, liebes Superfly und dafür liebe ich dich.

Euer treuer Hörer Marcel.

Vielleicht sehen wir uns auf der Party?!

Akzeptanz [überarbeitet] (von Marcel)

Aufgrund der Bitte, es nochmal zu überarbeiten bzw. zu erweitern und weil es ein besonders wichtiges Thema für mich ist, habe ich nochmal über die Akzeptanz geschrieben:

Es kann nur der frei von aller Last und Gram sein, der mit seiner Vergangenheit abgeschlossen hat, der das nicht Getane akzeptiert und mit dem Getanen Frieden geschlossen hat.

In unserem Leben treffen wir sehr viele Entscheidungen, täglich kleine und unwichtige und hin und wieder auch große lebensverändernde. Manchmal grübeln wir lange, welchen Weg wir wählen sollen, manchmal entscheiden wir aus dem Bauch heraus und manchmal übernehmen wir die Meinung von anderen Menschen. Einige Entscheidungen werden auch für uns getroffen, z. B. im Kindesalter von unserer Familie oder unseren Freunden. Dazu kommen biologische und soziale Grenzen, welche uns einen Weg vorgeben. Arme Menschen haben nicht die gleiche Auswahl wie reiche, kranke Menschen nicht die gleichen, wie gesunde.

Unser Leben ist also eine Mischung aus freien (sofern dies überhaupt möglich ist) und vorgegebenen Entscheidungen. Zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung können wir die Folgen nur sehr selten abschätzen, aber eines ist sicher:

Wir haben die Entscheidung aus gutem Grund getroffen!

Vielleicht wurde sie unter falschen Umständen getroffen oder war es ein Abwegen zwischen Pest und Cholera, vielleicht haben wir uns nicht viel dabei gedacht und damit die Wichtigkeit nicht erkannt, vielleicht ist sie zu spontan gefallen oder auch umgekehrt haben wir sehr viel Zeit investiert, bevor wir zu einem Entschluss kamen. Möglicherweise ist es auch einfach von einem hormonverseuchten Teenagerhirn ausgedacht worden. Wie auch immer es zu Entscheidung kam, wir dachten, sie wäre richtig.

Sich dies vor Augen zu führen, ist von enormer Bedeutung, wenn wir unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und auch unsere Zukunft bewerten wollen, denn ob die Wahl wirklich richtig war, können wir meist erst rückblickend herausfinden. Aus diesem Grund bleibt uns nur die Akzeptanz unserer Entscheidungen, auch wenn sie sich im Nachhinein als falsch herausgestellt haben oder wir es gerne anders gehabt hätten. So gut wie jeder Mensch hat solche wichtige Entscheidungen getroffen, die er heute bereut bzw. zumindest anders treffen würde. In der Familie, in der Schule, bei Partnerschaften, verpasste Chancen, enttäuschte Menschen oder man hat sich selbst nicht zu der Person entwickelt, die man sein wollte.

Es ist mühselig vergangene Entschlüsse im Nachhinein zu hinterfragen. Gleiches gilt für die Entscheidungen, die von unserer Familie und unseren Freunden für uns getroffen wurden. Auch hier wurde fast immer eine Wahl für uns getroffen, welche die handelnden Personen als gut erachtet haben, sie haben versucht aus ihrer Sicht alles richtig zu machen. Oder sie waren einfach nicht soweit und wussten nicht was sie tun. Ob ihre Wahl für uns wirklich richtig waren, das sei dahingestellt, aber sich dessen bewusst zu sein, ist wichtig. Dann müssen wir vergeben oder zumindest Gleichgültigkeit empfinden, jedes andere destruktive Gefühle würde uns unglücklich machen.

Nur wenn wir das verstehen und akzeptieren, können wir loslassen und uns in der Gegenwart bewegen. Denn gegenwärtige Entscheidungen sollten nicht zur Bereinigung der Vergangenheit dienen, außer natürlich es ist im seltenen Fall möglich, sondern sie sollten ausgehend von unserer Gegenwart die besten Möglichkeiten für unsere Zukunft ausloten.

Dabei bedeutet das Akzeptieren nicht, mit seiner Vergangenheit und den aktuellen Gegebenheiten völlig zufrieden zu sein oder dass man nicht versuchen soll, die Person zu sein, die man sein möchte. Aber eine Veränderung kann nur dann stattfinden, wenn man sich selbst kennen gelernt und akzeptiert hat. Nur auf dieser Basis können wir unsere Gegenwart beschreiben und unsere Zukunft definieren. Diese Akzeptanz ist ein ständiger Prozess und immer gilt es die Dinge aus den neuen Lebensumständen heraus zu bewerten. Unsere Vergangenheit hat unsere Gegenwart und Zukunft zu einem gewissen Grad schon vorgegeben und jede Entscheidung öffnet fast immer eine Tür und schließt eine andere. Wir können nicht alles haben, sondern wir müssen ständig Abwegen, Abstriche machen und Kompromisse schließen. Dessen müssen wir uns bewusst sein und damit müssen wir Frieden schließen, sonst wird es schwierig den Weg zur Zufriedenheit und zum Glück zu finden.